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Die Malerei. 87
nach feinem Auge und feiner vorherrfchenden Gemüthsftimmung, fo ganz befon-
ders hier. Die Natur in den englifchen Bildern erfcheint zuweilen mürrifch, in ein
gewiflfes Phlegma verfunken, zuweilen auch empfindfam angehaucht — nur feltener
mächtig und grofsartig oder von reiner idyllifcher Heiterkeit, zu welcher auch fonft
mehr Sonne gehörte. Innerhalb diefer Grenzen zeigt fich aber derfelbe individua-
lifirende Naturfinn, wie in der Schilderung des menfchlichen Dafeins. Die gleiche
liebevolle Wiedergabe des Wirklichen mit feinen Pinfelftrichen und zarten Abtö-
nungen der Farbe.
Turner, der einen Höhepunkt in der ganzen neuen Landfchaftsproduction
bezeichnet und von dem Bolckow ein Prachtbild hergeliehen hat, ragt freilich über
jede den Durchfchnitt bezeichnende Charakteriftik weit hinaus. Er fieht mit feinem
künfllerifch geklärten Auge das Naturbild reiner und heller, als es die Ungunft
des heimifchen Klimas gewährt. Seine grofse Landfchaft, ein Motiv von den
Themfe.Ufern mit reicher Staffage von Weidevieh, ift in der gehaltenen Ruhe wie
in der Behandlung der Atmofphäre ein voller Nachklang der breit und ferne aus-
tönenden landfchaftlichen Stimmungsaccorde bei Claude Laurin. An Turner's
Seite tritt Linnel mit feiner „Windmühle“, die gleichfalls unter den älteren
Schauftücken, deren es auf der Ausftellung mehrere gab, einen Hauptrang ein-
nahm. Im Uebrigen fieht es in den anderen Landfchaftsbildern ziemlich verregnet
aus; auch dieHochlandsmotive, die häufig herhalten müffen, präfentiren fich mehr
mit grämlichem als mit grofsartigem Ernfte. Faft möchte man glauben, dafs die
Natur da felbft am Spleen litte. Wirklich grandios, von einer eigenen elementaren
Landfchaftspoefie, die ganz aus dem Feuchten heraus, aus fchäumenden Wildbach-
wogen, fchweren Wolken und wafferziehenden Lichtftrahlen ihre originellen Wir-
kungen zaubert, it Graham’s „Flufsanfchwellung in den fchottifchen Hoch-
landen“. Um nur noch das zunächft Beachtenswerthe in der Landfchaft hervor-
zuheben, nenne ich an diefer Stelle Red grave's Waldbilder und eine Abend-
dämmerung von Vicat Cole, ohne damit den Werth fo mancher anderer Land-
fchaftsbilder, befonders unter den Aquarellen, verkürzen zu wollen.
Ueberhaupt gehören die letzteren Leiftungen, auch fo im Figurenfach wie
im Thierftück und Architekturbild, zu den bedeutendften künftlerifchen Eindrücken,
die wir auf der Weltausftellung erhalten konnten. Es kam uns fo vor, als ob im
Aquarell der englitche Kunftgeift fowohl in der Erfindung wie in der Farbe aus
feiner fonft fo behutfamen und refervirten Stellung heraustreten würde. Im Oelbild
hat das englifche Colorit zuweilen etwas Glanz, meift aber eine an die Pattell-
manier erinnernde, trockene Gedämpftheit, kaum in einem Falle wirkliche Wärme
und Gluth. Woher follte fie auch kommen? Sie ift kein blos technifches Moment
— fie fpringt aus dem Blut und Naturell auf die Palette über. Aber im Aquarell,
diefem Seitentradt der Kunft, wo es weniger offhiciös hergeht, wagen es felbft die
Engländer, einiges Naturell zu haben und ihre Ideen in mehr refoluter, kräftig
wirkender Farbe hinzufetzen. Auch in der Behandlung des Stoffes entwickeln fie
eine leichte, kecke Eleganz, die fonft der umftändlichen englifchen Kunft ferner
liegt, fie werden gelegentlich novelliftifch pikant trotz der Franzofen, bedeutfam
charakterifirend in gefchichtlichen Scenen, wie der fchon genannte John Gilbert,
voll Verftländnifs für die Farbenpoefie und die feineren malerifchen Wirkungen,
wie die meiften Landfchafter- und Architekturmaler unter den Aquarelliften.
Man geräth in Verlegenheit, einzelne Namen, wie des bereits hingefchie-
denen W. Deane, dann E. Duncan, C. Haag, D: Roberts, HK. ay,ler,
F. Walker, Cooper und andere zu nennen, wo man einer ganzen impofant
entwickelten, mit vollfter technifcher Sicherheit entwickelten Kunftrichtuns
gegenüberfteht.