Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

90 Dr. Jofef Bayer. 
Studien gebildetes Beamtenthum und die der Kunftliebhaberei fich zuwendenden 
Rentiers — auch die übrigen Stände, die etwa von der Univerfität hervorgehen, 
find mit der grofsen Majorität des Bürgerthums in der Anficht einig, die fchönen 
Künfte feien brodlofes Zeug Man hat zwar durch die Affociation zu helfen 
gefucht und die Kunftvereine haben manches Erfpriefsliche gewirkt, aber das 
Gefammtrefultat der Ankäufe zeigt fich doch nicht als ausreichend. Dazu kommt 
noch Eines: Die kläglich verbauerte katholifche Kirche beftellt gar wenig, und 
für ihre geringen Bedürfniffe lieferten die beiden Defchwanden nach der Scha- 
blone ihre charakterlofen Madonnen- und Engelsköpfchen.* 
So ift denn der fchweizerifche Künftler, auch abgefehen von der fremden 
Herkunft feines Schulzufammenhanges, der noch in anderen Umftänden feinen 
Grund hat, meift nur ein Gaft in feinerHeimath. „Er hat fich in fremden Schulen 
herangebildet und malt im Ausland und für das Ausland. Die vornehmen Namen, 
die man in der fchweizerifchen Abtheilung derKunfthalle traf, find alte Bekannte 
von deutfchen Ausftellungen und von dem Parifer Salon — und es fieht ein wenig 
darnach aus, als ob fie nur aus Patriotismus einige kleinere Bilder hereingeftiftet 
hätten, um das Heimathland fich würdig präfentiren zu laffen.* 
Freilich gehört unter diefe „kleineren Bilder“ keineswegs das bewunde- 
rungswürdige „Begräbnifs in einem Dorfe des Schwarzwaldes“ von Benjamin 
Vautier; diefer Schweizer ausLaufanne, gegenwärtig ein Hauptrepräfentant des 
Kunftlebens in Düffeldorf, der lange fchon „in der deutfchen Kunft-Landsmann- 
ichaft nationalifirt it“, hat da feiner Heimath auf der Ausftellung einen gar 
bedeutfamen Ehrenbefuch gemacht. Auch die zwei anderen Bilder Vautier's. 
„Confultation beim Advocaten“ und „AmKrankenbettef, gehörten zu den erften 
Zierden desSaales. In geziemender Entfernung folgte ihm Conrad Grob aus Andel 
fingen (jetzt in München), der, fo wie früher vom Schmiede-Ambos Hubert Salentin. 
aus der Schlofferwerkftätte zur Palette überging. Sein Maler, der auf der Studienreife 
im Dorfe ein Bauernmädchen abconterfeit, während fich die anderen weiblichen 
Familienglieder neugierig verwundert hinzudrängen. ift ein frifches und liebens- 
würdiges Bild. E. Stückelberg inBafel nähert fich mit feinem „Nareifs“, feiner 
„Echo“ und der „Wahrfagerin“ den franzöfifchen Vorbildern bei feinem Talent, 
aber mancher Willkürlichkeit im Colorit. Ganz nach Frankreich gehört bekannt- 
lich Charles Gleyre von Laufanne, als einer der namhafteften, fchulbildenden 
Meifter der franzöfifchen Kunft. Es war eben eine landsmännifche Höflichkeit. 
wenn er fich diefsmal mit dem Bilde „La Charmeuse“ bei den Schweizern 
einfand. 
Die Gefchichtsmalerei und das hiftorifche Genre tritt bei den Schweizern 
nur fo nebenher auf und doch böte die eidgenöffifche Gefchichte felbft hiezu 
einen reichen, nicht leicht zu erfchöpfenden Stoffkreis dar. Auch käme dazu 
ein wefentlicher künftlerifcher Vortheil: das Hereinwirken der landwirth. 
fchaftlichen Scenerie in die hiftorifche Action, das fich malerifch ebenfo im 
grofsen Sinne verwerthen liefse, wie diefs Schiller poetifch in feinem „Wilhelm 
Tell“ auf fo unvergleichliche Art gethan. Aber unter allen Richtungen der 
Kunft ift gerade die hiftorifche am wenigften praktifch und marktfähig, und 
die Schweizer find eben praktifche Maler. Auch kommen fie in der Fremde 
nicht allzu häufig dazu, patriotifche Gefchichtsmalerei zu treiben, von derz.B. 
die Polen unter allen Umftänden nicht laffen. Nur was fich hievon für den 
genreartigen Gebrauch herrichten läfst, alfo die leichter behandelte Gefchichts- 
epifode, findet da aufmerkfamere Beachtung und Pflege. Auf der Ausftellung 
war das Schweizer Gefchichtsgenre nach der Seite der humoriftifchen Charak- 
teriftik durch die „Kappeler Milchfuppe“ von Alb. Anker in höchft frifcher 
und anfprechender We..e vertreten, der hier einen Anekdotenftoff aus dem 
einheimifchen Reformationskriege mit glückl:;chem Griff benützte. Die Darftel- 
lung eines gefchichtlichen Momentes von fentimental-pathetifchem Gehalte wurde 
von A. Weckeffer aus Winterthur (derzeit in Rom) in der „Segnung des 
     
   
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
   
   
  
   
        
   
  
  
   
  
   
   
   
  
   
  
  
  
    
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