Full text: Der Schreibunterricht (Heft 27)

   
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Der Schreibunterricht. 9 
anftatt eines trocken objectiven Berichtes eine refledtirend lyrifche Poefie nieder- 
zufchreiben. 
Man müfste ein Herz von Stahl, jeder edleren Regung unfähig, im Bufen 
tragen, könnte man ungerührt die Schriften und anderen Unterrichtsgegenftände 
betrachten, welche uns Indien herüberfandte und die einen Glanzpunkt der 
gefammten Weltausftellung von 1873 bilden. 
Von dem einfachen, dreifüfsigen Tintenzeuge, des einerfeits appretirten 
und zufammengerollten Schreibleinwand - Stückes und der Schreibfeder aus 
fpanifchem Rohr, bis zu jenen complicirten Buchftaben-Geftaltungen, in welchen 
die Gefänge und Schriften der Indier und nicht minder die Urtypen unferes foge- 
nannten arabifchen Zahlenfyftemes und der Ziffernformen — welche Eindrücke. 
welche Fluth von Gedanken müffen fie und noch dazu in der Atmofphäre einer 
Weltausftellung von dem Umfange und der Bedeutung der unferen, anregen und 
heraufbefchwören. 
Herrn Dr. Leitner und den intelligenten Corporationen und Schul- 
vorftänden von Britifch-Indien aber fagen wir unferen aufrichtigften Dank für die 
lebhafte Betheiligung an unferer Weltausftellung in dem gerade hier culturell fo 
ehrwürdigen und wichtigen, als intereffanten Zweige des Unterrichtswefens. 
Streifen von Palmenpapier, wie wir fie hier vor uns faben, mögen auch der 
Stoff gewefen fein, auf welchem die heute fo berühmte, als für uns wichtige uralte 
Literatur Hindoftans gefchrieben wurde, in einem Alphabete freilich, von welchem, 
wie bei den meiften todten Sprachen, viele Buchftaben als phonetifch ungelöfte 
Fragezeichen vor unferem Auge ftehen. 
Mit eben folchen überkalkten Schreibbretern, wie fie die Schulen Hindo- 
ftans ausftellten, mögen auch vor Jahrtaufenden die Kinder Zoroafter’s ihre erften 
Schreib- und Rechenverfuche gemacht haben, und diefelben kalligraphifchen 
Spielereien und Randverzierungen, wie wir fie hier vor uns fahen, haben ficher 
[chon vor undenklicher Zeit den naiven Kindern des Lichts Freude und Erhei- 
terung verfchaftt. 
Die Methode des Schreibunterrichtes ift, wie auch in neuerer Zeit bei uns, 
eine analytifch fortfchreitende, und weift fowohl in den verfchiedenen Formen der 
einheimifch indifchen Schriftarten, als wie in den arabifchen ganz gute Refultate 
auf. Auch die lateinifche Schrift hat unter den eingebornen Schülern, die aus dem 
Englifchen oder ins Englifche überfetzen, manch’ brave Vertreter, und beweifen 
dafs fie fich auch der Stahl-Schreibfeder zu bedienen gelernthaben. Die europäifche 
Politik mag den Kindern des Oftens manche Unbill nicht erfpart haben, aber 
die europäifche Cultur ift human und zahlt mit Wucherzinfen den Enkeln 
zurück, was deren Urahnen für die geiftige Entwicklung der Menfchheit geleiftet 
haben. 
Schriftproben von Schülern fandten das Localcomit& von Bengalen, das 
LocalcomiteE von Madras, das Unterrichtsdepartement von Bombay, das Local- 
comite ebendafelbft, M. Kampfon, Director des öffentlichen Unterrichtes in den 
nördlichen Provinzen, der Rajah Jye Kifhen Dofs (Kalligraphien), der Director 
des Regierungscollegiums zu Agra, das Localcomite von Punjab, die Regierung 
von Audh, das Unterrichtsdepartement der Centralprovinzen, das Localcomite 
von Myfore, das Localcomit& von Berar und das Localcomit&e von Hyderabad. 
Aus Madras fandte Abdus Sarnat gefchmackvoll ausgeführte perfifche Kalli- 
graphien und B. R. Tagure aus Bengalen eine intereffante Zufammenttellung 
aller in Indien gebräuchlichen Alphabete. In der reichhaltigen und lehrreichen 
Expofition des verdienftvollen Herrn Dr. Leitner fanden wir auch viele Schrift- 
proben aus den Schulen Indiens und dem Cap der guten Hoffnung. So hat uns 
England reich entfchädigt für die Lücke, die es in der Ausftellung des eigenen 
Schulwefens auf der Wiener Weltausftellung gelaffen hat. 
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