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Der Zeichen- und Kunftunterricht. 29
An den Zeichnungen der Stuttgarter Frauenfchule ift neben der fchönen
Ausführung vorzüglich die forgfame Auswahl gefchmackvoller Motive hervor-
zuheben.
Erwähnung verdienen auch noch die Arbeiten der Sträflinge, die in guten
Studien nach Gypsmodellen, in farbigen Ornamenten, Mafchinen- und Linear-
zeichnungen etc. vorlagen.
Um zweckmäfsige und praktifche Vorlagewerke hat fich, wie fchon erwähnt,
die Commiffion für die gewerblichen Fortbildungsfchulen in Württemberg die
gröfsten Verdienfte erworben. Für die erften Unterrichtsftufen find die von
E. Herdtle verfafsten Schulen das Befte, was wir überhaupt derzeit befitzen,
wofür auch die reiche Verbreitung derfelben fpricht; es fei davon hier nur die
Sammlung von „Flächenverzierungen des Mittelalters und der Renaiffance“ (nach
den Originalen gezeichnet von F. H.) der reizenden Motive wegen hervorgehoben.
Für den Fachunterricht wurde von der Commiffion eine Serie von Vorlagen für
alle Gewerbszweige herausgegeben, welche in Einfachheit und Klarheit der Dar-
ftellung fowohl als in der zweckmäfsigen Auswahl der Objecte nichts zu wünfchen
übrig läfst. Die meiften Blätter enthalten neben den Zeichnungen auch für die-
felben einen kurzen erklärenden Text.
Die „Vorlageblätter für technifches Freihand-Zeichnen* von P. Hölder
(meift für Eifen) hd gut, aber ohne ausgefprochenen Stil. Sehrfchöne We
über Schattenlehre, Intenfitätscurv en etc. enthält C. Riefs’s „Schattirungskunde«
Auch Guido Schreibers „Körperftudien“ find für die erfte Stufe, um zu zeigen,
wie die Plaftik dargeftellt ehdEh foll, empfehlenswerth. „Das Zeichnen der
Stereometrie als Vorfchule zur darftellenden Geometrie“ von A. Brude ift für
den Uebergang vom geometrifchen Zeichnen in der Ebene zum Zeichnen im Raume
der darftellenden Geometrie berechnet. Unferes Erachtens ift es denn doch beffer,
die Stereometrie fogleich mit guten Lehrmitteln in der geometrifchen Projedion
durchzuführen, wenn diefe fortgefetzt werden foll. Die „zeichnende Geometrie
von G. Müller“ ift ein fehr praktifches Werkchen, durch welches der Schüler
vorzugsweife im Handhaben feiner Werkzeuge gefchult wird. Die „Sammlung
naturaliftifcher Ornamente“ für Zimmermaler von Ch. Kämmerer enthält hübfch
gezeichnete Blätter in franzöfifchem Gefchmacke.
Als Weltblatt für die Kunftinduftrie war die Stuttgarter „Gewerbehalle“
in fieben verfchiedenen Sprachen ausgettellt.
Rühmlich hervorzuheben ift hier noch Conrad Wittwer’s Verlag (Stutt-
gart) von architektonifchen Werken.
Baden. Das Grofsherzogthum Baden hatte fich wie in Paris 1867 auch auf
der Wiener Weltausftellung im Unterrichtsw efen wenig betheiligt. Den gewerblichen
Fortbildungsfchulen wird in diefem Lande die befte Pflege gewidmet, und beläuft
fich deren Zahl gegenwärtig auf 43 ; in demfelben wird jedoch weniger rein fach-
liche, fondern vorwiegend allgemeine Bildung angeftrebt. Auch Wird feit 1870
in dem Lande für die Ausbildung des we Iblichäd Gefchlechtes reichlich Sorge
getragen.
Es lagen nur Schülerarbeiten von der gew erblichen Unterrichtsanftalt
in Carlsruhe vor. In denfelben wurden die meiften gewerblichen Fächer
repräfentirt, und verdienen davon befonders decorative Entwürfe, Gefäfse
und Möbel ihres eleganten, gefchmackvollen Stiles und der exacten künft-
lerifchen Ausführung wegen hervorgehoben zu werden. Auch treffliche
Studien nach ribehiehen und orientalifchen (polychromen) Ornamenten ver-
dienen erwähnt zu werden. Von Modellirungen war nur Weniges, zumeift
Ornamentales ausgettellt.
An Vorlagewerken lagen auf: „Ornamentenzeichnen für Bürger- und
Gewerbefchulen“ von W. Tönius (Carlsruhe); die Formen bewegen fich in ver-