Full text: Der Zeichnen- und Kunstunterricht (Heft 36)

  
  
   
  
   
   
  
    
      
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
   
   
  
   
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
    
    
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
   
82 J. Langl. Der Zeichen- und Kunftunterricht. 
Sternfiguren etc. ziemlich gleichmäfsig gearbeitet und lag doch ein gewiffes 
Prineip darin: dagegen begegneten uns wieder haarfträubende Sünden wider 
allen guten Gefchmack in den Arbeiten der „Teachers-*, „Normal-* und „High- 
fchools*. 
Im Schulhaufe lagen als Unterrichtsmittel für das Zeichnen die Spencer- 
fchen Zeichenhefte auf, in welchen die Formen auf der linken Hälfte des 
Papieres vorgezeichnet waren und die Schüler diefelben rechts auf den freien 
Raum zu copiren hatten. Der Stufengang führte in ziemlich fyftematifcher Weife 
von den einfachften geometrifchen Formen zur Darftellung von Gefäfsen, Geräthen 
und dergl. 
Am beften wird, dem Ausgeftellten nach, in Bofton, überhaupt in Maffa- 
chufetts der Zeichenunterricht betrieben. Hier ift in den meiften Schulen „The 
Drawing-Book of Standard reprodudtions and original defings for public fchools, 
Drawing-Claffes and Schools of art“ von Walter Smith eingeführt. Das Werk 
empfiehlt fich befonders in feinen erften Theilen für den Elementarunterricht, in 
welchem auf geometrifcher Grundlage bis zum leichten Ornamente vorgefchritten 
wird; im zweiten Theile, der Fortfetzung des Ornamentes, mangelt dem Vortrag 
die Frifehe und den Formen ein ausgefprochener Stil. Weiter folgen dann in 
ziemlich willkürlicher Anordnung Köpfe, Thiere, Blumen, felbft ganze menfch- 
liche Figuren, aber Alles in trockenen, kalten Contouren in Federmanier. In dem 
„Public-Schools“ wird überall nach diefem Syftem gezeichnet und werden die 
erften Uebungen meift auf Schiefertafeln vorgenommen. Im Weiteren finden dann 
auch Studien nach plaftifchen Modellen ftatt, und zeigten die vorgelegten Leiftun- 
gen recht gute Erfolge. Es kommen dabei theils ftereometrifche Körper, theils 
Gefäfsformen, Vafen und dergl. in Verwendung. * 
Das „Bildchenzeichnen“ wird hier nur wieder in den Mädchenfchulen 
eifrig betrieben, wo ausfchliefslich Julien’s und Hermes’ Vorlagen in Verwendung 
ftehen. 
Von den „Drawing Claffes“ waren (nach Smith’s Vorlagen) Zeichnungen 
vorgelegt, welche nur befcheidene Erfolge zeigten; dagegen verdienten die 
Arbeiten der „Free Induftrial Drawing Claffes“ des Staates of Maffachufetts volles 
Lob; es fanden fich darunter befonders hübfch gezeichnete Köpfe (nach Gyps 
mit zweiKreiden) und gute Ornamente. 
Was von dem Ausgeftellten der übrigen Länder auf den Kunftunterricht 
Bezug hatte, war zu unbedeutend und unmafsgebend, als dafs der Referent für 
nöthig gehalten hätte, es hier fpeciell anzuführen. Wenn eine Schule in Athen 
fchlecht gezeichnete (franzöfifche) Blumen und einige Köpfe nach Berliner Vor- 
lagen als Zeugnifs des heutigen Kunftunterrichtes in Griechenland vorlegte, wenn 
von Conftantinopel (Calame’s) Landfchaften, von der technifchen Schule zu 
Kairo mangelhaft copirte Köpfe (nach Julien) ausgeftellt waren: fo konnte 
daraus nur erfichtlich fein, wie fehr die Erziehung des Gefchmackes alldort 
darnieder liegt. 
Am meiften verletzten das Auge folche dilettantifche Arbeiten in der grie- 
chifchen Ausftellung, unmittelbar neben den claffifchen Fragmenten der Akropolis. 
Diefe ehrwürdigen Refte der Kunft, fie waren auf der Weltausftellung in Mitten 
des modernen Strebens und Ringens, welches fich: auf allen Gebieten des 
Könnens und Wiffens offenbarte, eine wehmutherregende Illuftration der Vergäng- 
lichkeit, aber zugleich in ihrer unfterblichen Schönheit die edelften Vorbilder, in 
Allem das Höchfte anzuftreben. 
  
* Die Modelle waren auch ausgeftellt. 
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