Full text: Der Blinden- und Taubstummen-Unterricht (Heft 26)

   
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
    
  
  
    
   
    
    
     
  
   
19 Eduard Kaltnor. 
Die Wiener Weltausftellung bot hiezu die paffendfte Gelegenheit, und 
Herr Dr. Ludwig Auguft Frankl, ein wahrer Freund der Blinden, ergriff den als 
Moment, und lud die Blindenlehrer zu einer Verfammlung ein. 
Seinem Rufe folgend erfchienen am 4. Auguft 1873 im Feftfaale des k.k. 
akademifchen Gymnafiums Blindenlehrer und Freunde von Blinden aus faft allen 
  
  
  
Ländern Europas, aus Afrika und Amerika, um an den Berathungen theilzunehmen. gel 
Auch einige Volksfchul-Lehrer Wiens und mehrere Blinde wohnten den 
Verfammlungen bei. 5 
Unter den anwefenden Gäften befanden fich Fürft Georg Chartor ynski all; 
aus Lemberg, Baron Königswarter, Dr. Hoffer als Vertreter der Stadt M« 
Wien, Magiftratsrath Leban als Stellvertreter des Bürgermeifters, Hoffecretär 
Fleifsner als Vertreter des Unterrichtsminifteriums. 
Dr. Frankl eröffnete die Verfammlung mit einer wohl durchdachten Bli 
Anfprache, in der er das Gefchichtliche des Blinden-Unterrichtswefens darlegte, 
bafırt auf die drei Worte: „Verehrt, ernährt, belehrt!“ Le 
Im grauen Alterthume fchrieb man den Blinden profetifche Sehergabe zu 
man wendete [ich an fie, um künftige Schickfale zu erfahren und verehrte fie. 
1178 wurde vom Herzog Welf VI., der im Alter felbft erblindete, zu Meinin- de: 
gen (um 82 Jahre früher als in Frankreich) das erfte Blindenafyl gegründet. bri 
Walter von der Vogelweide befang es in einem Gedichte mit den Worten: Bli 
„Es bleibt fein ganzes Lob auch nach dem Tode.“ Tek 
Das Blindenafyl war jedoch nichts weiter, als eine Verforgungsanftalt; Ni 
man befchränkte fich darauf, Blinde zu ernähren. | bis 
Da tauchte plötzlich aus dunkler Nacht ein leuchtender Stern auf! Eine mi 
Wienerin, Fräulein Therefe v. Paradies, deren wir bereits wiederholt erwähnten, 
machte durch ihre Virtuofität grofses Auffehen, wodurch in ‘Valentin v. Hany die 
der Gedanke reifte, in Paris ein Blinden-Erziehungsinftitut zu errichten, welcher de 
Gedanke 1784 auch zur Ausführung kam. a ba 
Ganz unabhängig von diefer Anftalt gründete Johann Wilhelm Klein ' ma 
ı809 das Blindeninftitut zu Wien, welches 1816 zur Staatsanftalt erhoben eier 
wurde. 
Auch die Verforgungsanftalt für erwachfene Blinde verdankt diefem edlen 
Manne feine Entftehung. ve! 
Bald entftanden ähnliche Anftalten in verfchiedenen Ländern und heute Sti 
gibt es bereits 143 folche Inftitute. Und fo bewähren fich die anfangs ausge- arı 
fprochenen Worte: „Verelirt, ernährt, belehrt !* un 
| Das als unmöglich Geglaubte ift zur lebendigen That geworden, und jedes 
| Blindeninftitut hat ausgezeichnete Zöglinge aufzuweifen. let 
\h Nach Herrn Dr. Frankl nahm der Gemeinderath Herr Dr. Hoffer das un 
Wort, um. die Verfammelten im Namen der Stadt Wien zu begrüfsen. Redner hob St: 
Iıl befonders das humanitäre Wirken unferes Jahrhunderts und zwar befonders der un 
Ill) zweiten Hälfte desfelben hervor. J 
m Der ungarifche Unterrichtsminifter Auguft v. Tr&fort fendete durch einen th 
IM Abgeordneten, Herrn Minifterialrath Karffy dem Congreffe feinen Grufßs. 
NE Il ‚il Im Namen der Congrefsmitglieder fprach Herr Diredtor Mecker aus Ge 
it Düren 'in Preufsen dem Comite für die viele Mühe, und der Stadt Wien für den Bi 
| herzlichen Empfang feinen Dank aus. hä 
Schon am 3. Auguft wurde eine Vorverfammlung abgehalten und dabei das 
| Präfidium gewählt und die Tagesordnung aufgettellt. un 
Hierüber erftattete ein Herr Paul Hübner Bericht und wurden die in der & 
Weife gefafsten Befchlüffe auch angenommen. Gewählt wurden: of 
Herr Dr. Frankl als Präfident, da 
\ Director Pablafek von Wien, als Präfes-Stellvertreter, ne 
| „ Paul Hübner, Redacdteur des „Heilpädagog“* und 
Entlicher, Lehrer des Wiener Blindeninftitutes als Schriftführer, Bl 
  
 
	        
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