Full text: Anlage, Einrichtung und Lehrmittel der Volks- und Mittelschule (Heft 72)

  
  
  
  
  
  
  
  
     
  
    
Sg Dr. R. Perkmann. 
Lehrorgane, in entfprechender Zubereitung durch die verfchiedenen Abftufungen 
der Schule, durch diefe aber auch allmälig in alle Schichten der Bevölkerung 
hinausftrömt. 
Allerdings follte auch der geographifche Unterricht an den öfterreichifchen 
Lehranftalten, namentlich auf den niederen Stufen, fich nicht fo ganz frei und 
ungeftört entfalten können. Es gibt Staaten, wo das rein intelledtuelle Leben in 
der Schule, wie in einem Heiligthume, unabhängig und ungehindert von den 
jeweiligen ftaatlichen und kirchlichen Richtungen, wenn auch langfamen Ganges, 
dafür aber harmonifch fortfchreiten und fich immer reicher geftalten kann. In 
Oefterreich aber zeigt fich die eigenthümliche, aber aus den Verhältniffen leicht 
erklärliche Erfcheinung, dafs fich die verfchiedenen nationalen, politifchen und 
kirchlichen Parteien, die fortfchrittlichen, wie di rückfchrittlichen, immer mit 
Eifer, ja vielfach mit Leidenfchaft und Fanatismus auf das Schulwefen, gleichfam 
die wichtigfte ftrategifche Pofition im Kampfe um ihr ganzes Sein und Nichtfein, 
werfen und fich des entfcheidenden Einfluffes auf dasfelbe zu bemächtigen fuchen. 
Um diefen Punkt tobt der Kampf am heftigften. Rückfchritt und Fortfchritt 
gefchehen nicht rhythmifch, fondern immer ftofsweife. Doch fehlt auch hier nicht 
jener univerfelle Regulator, den jedes „Zuviel* im natürlichen, wie im gefell- 
fchaftlichen und geiftigen Leben in fich felbft trägt, und fchützt jedesmal gegen 
vollftändige Vernichtung wie gegen fchädliche Ueberftürzung, bis der Sturm 
fich endlich zu legen beginnt und das wiffenfchaftliche und culturelle Element, 
dem fchliefslich allerwärts der Sieg zufallen mufs, einer ruhigeren Entwicklung 
fich hingeben kann. 
Die Angriffe. welche zu Anfang der Fünfziger-Jahre gegen die neuen Ein- 
richtungen im öfterreichifchen Schulwefen unternommen worden find, waren 
vorzugsweife gegen die „Realien“, fomit diredt und indiredt auch gegen die 
Geographie gerichtet. Hinfichtlich der Volksfchule fehen wir einen Erlafs des 
Minifteriums für Cultus und Unterricht, der nahezu gleichzeitig mit den Artikeln 
des Concordates veröffentlicht worden ift, um ein volles halbes Jahrhundert 
zurückgreifen und felbft dasjenige aus der Schule hinausweifen, was fogar die 
alte „politifche Schulordnung“ vom Jahre ı805 noch geduldet hatte. Doch auf 
dauernde Erfolge konnte eine folche Richtung im Staatsleben unmöglich mehr 
rechnen. Innere und äufsere Urfachen, wiffenfchaftliche und politifche Fadtoren 
wirkten zufammen, um endlich das gefammte Schulwefen auf den Principien auf- 
zubauen, welche die heutige Wiffenfchaft und das moderne Leben fordern und 
alle Elemente ferne zu halten, welche dem Gedeihen der neuen Schöpfung hinder- 
lich fein könnten. In den Lehrerkreifen aller Grade entfaltete fich ein reger Eifer 
für Wiffenfchaft und Lehramt, und was hier gleichfam im Stillen vorbereitet wird, 
das fehen wir bald, zuvörderft unter dem Schutze einzelner Gemeinden, in die 
Oeffentlichkeit hinaustreten und die Sandtion der Staatsregierung erlangen, 
Die erfte Gemeinde des Reiches, die Grofscommune Wien, darf mit Recht ftolz 
fein auf den Antheil, welchen fie an der Um- und Neugeftaltung des Unterrichts- 
wefens in Oefterreich genommen hat 
Nach der neueren Organifation der Wiener Communalfchulen findet auch 
die Geographie wieder in der Volksfchule ihre Stelle, und zwar auf Grund- 
lage der phyfikalifchen Seite. Halten wir den Lehrplan für die ([echsclaffige 
Schule im Auge, fo wird in der erften und zweiten Claffe dem geographifchen 
Unterrichte durch den Anfchauungsunterricht vorgearbeitet. In der 
drittenClaffe foller an der Hand des Lefebuches „die Kinder mit den wichtigften 
heimatlichen Produdten aller drei Naturreiche bekannt machen, die am häufigften 
wiederkehrenden Naturerfcheinungen, namentlich die klimatifchen und Witterungs- 
verhältniffe des Ortes, die Tages und Jahreszeiten, den Kreislauf des Waffers 
u. dgl. befprechen, zum Lefen eines Planes der Schule und ihrer Umgebung, 
des Gemeindebezirkes u.f. w. anleiten und aus der Kenntnifs der engften 
Heimat die einfachften erdkundlichen Grundbegriffe entwickeln“. In der vierten 
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
   
   
  
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