Full text: Allgemeine Bildungsmittel (Heft 67)

   
] 6 Rudolt Lechner . 
auch Sortiment treiben, wodurch ihre Thätigkeit. zerfplittert und fie gehindert 
werden, dem Verlage ihre ganze Kraft zu widmen. Diefer wird in den meiften 
Fällen nur nebenher, ich möchte fagen, gelegentlich betrieben. Der Sortiments- 
betrieb ift aber ein fo zeitraubendes und mühfames Gefchäft, dafs die Verlags- 
thätigkeit darunter leiden mufs. Männer, welche fich nur mit dem Verlage befchäf- 
tigen, haben die nöthige Mufse, ihre Verbindungen mit den Autoren zu pflegen, 
neue anzuknüpfen und, was das Wichtigfte ift, felbft Ideen zu Verlagsunter- 
nehmungen, zu geben. Es ift eine Thatfache, dafs ein grofser Theil des bedeu- 
tendften und lucrativften deutfchen Verlages aus der buchhändlerifchen Initiative 
hervorgegangen ift. Ich erinnere nur an die riefige Literatur der Converfations- 
lexica (Brockhaus, Meyer, Pierer, Spamer), des Jugendfchriftenverlages (Schreiber 
& Schill, Hoffmann-Thienemann, Spamer) und in neuefter Zeit der Clafiker-Gemein- 
gut-Ausgaben (Hempel, Grote, Prochaska) und der fo vielen anderen Sammel- 
werke in allen möglichen Richtungen, welche meiftens ihr Entftehen verlegeri- 
fcher Initiative verdanken. Wenn wir alfo eine gröfsere Menge von ausfchliefs- 
lichen Verlagsgefchäften haben werden, wird fich auch die Produdtion wefent- 
lich heben. 
Auch die Regierung könnte hier fördern, wenn fie fich einmal entfchliefsen 
möchte, den k. k.Schulbücher-Verlag gänzlich aufzugeben. Es ift eine 
grofse Anomalie und im modernen Staate ganz unhaltbar, dafs die Regierung 
dem Steuerträger Concurrenz macht und ihm eines feiner wichtigften Objedte 
entzieht. Man hat zwar im Principe die Concurrenz der Privatverleger zugeftanden 
und auch manche von diefen herausgegebene Schulbücher zuläffig erklärt. Diefs 
reicht jedoch nicht aus; denn fo lange die Staats-Buchhandlung exiftirt, wird fich 
die Privatinduftrie nie gehörig entfalten und diefes Feldes bemächtigen können. Man 
fagt: der Schulbücherverlag liefert fehr wolfeile Schulbücher und gibt Armenbücherin 
unbefchränkter Menge. Das fei ein grofser Vortheil für das Volk. Man darf aber 
wohl dagegen fragen: find diefe wolfeilen Bücher auch immer gute Bücher? Die 
Erfahrung antwortet: nein! Und Armenbücher liefert auch der Privatverleger, 
und dafs ohne Staatsanftalten auch wohlfeile und nebftbei auch vortreffliche Schul- 
bücher entftehen, diefen Beweis liefert das ganze deutfche Reich, wo mit Aus 
nahme von Baiern, nirgends mehr Staatsanftalten zur Herftellung von Schul 
büchern exiftiren. Der öfterreichifche Verlagsbuchhandel hat in der kurzen 
Zeit, welche feit Zulaffung der Privatconcurrenz verfloffen ift, erftaunlich viele 
Schulbücher geliefert und man kann ihm den Vorwurf der Saumfeligkeit nicht 
machen. Dafs manche mittelmäfsige Producdte darunter find, wen möchte diefs 
Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dafs Alles, alfo auch das Verlegen von 
Schulbüchern, erft gelernt werden mufs? 
Darüber kann ein Zweifel nicht beftehen, dafs die gänzliche Auflaffung 
des k. k. Schulbücherverlages für den öfterreichifchen Verlagsbuchhandel von 
gröfster Wichtigkeit wäre, und ich glaube daher der Regierung diefen Schritt im 
Intereffe der heimifchen Verlagsinduftrie auf das Dringendfte empfehlen zu 
müffen. 
Schlufsbemerkungen. 
Wenn ich fchliefslich noch einen vergleichenden Blick auf den deutfchen 
Buchhandel (mit Einfchlufs des öfterreichifchen) werfe, fo komme ich zu folgen- 
dem Refultat: 
Der deutfche Buchhandel fteht, was Vielfeitigkeit, Maffenhaftig- 
keit, folide künftlerifche Ausftattung, praktifche Richtung, 
Befriedigung der literarifchen Bedürfniffe der Familie, Her- 
ftellung von Kinderbefchäftigungs-Mitteln, Kinderbüchern, 
Jugendfchriften und Schulbüchern und populären Schriften 
für das Volk betrifft, unbedingt auf der erften Stufe. 
  
    
   
  
  
   
   
    
  
    
  
   
  
      
      
     
  
  
  
  
   
  
  
   
     
  
  
      
     
   
    
    
    
    
    
   
  
  
   
    
  
  
  
      
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