Full text: Russland (Heft 70)

  
  
  
  
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welche die unlängft zufammenberufene Enqu&te über die landwirthfchaftlichen 
Verhältniffe Bande in ihrem intereffanten Elaborate zu Tage gefördert hat 
Die Leibeigenfchaft. 
Die Aufhebung der Leibeigenfchaft ift in Rufsland ganz befonderen 
Schwierigkeiten begegnet. In allen anderen Ländern Europas hat diefelbe 
fucceffive ftattgefunden und erft in der Zeit, nachdem alle anderen Reformen auf 
einer gewiflen Stufe aı 
feltenen Energie, und man kann wohl fagen, einem feltenen Muthe. ins Leben 
gerufen worden. Es legt diefs ein Zeugnifs ab von der hochherzigen Initiative und 
den freiwilligen Opfern, deren Krone und Land fich mit gleichem Rechte rühmen 
können. Allerdings war eine folche rafche Entfcheidung gerade in Rufsland 
durchaus nothı wendi weil man bei der grofsen Ausdehnung des Reiches zur 
Mobili firun ande innewohnenden Lebenskräfte eben ganz aufserordent- 
liche Mittel in Anwendung bringen mufste. In allen anderen Ländern des Occidents 
ıat die Aufhebung der Leibeigenfchaft auch erft dann fta ıttgefunden, wenn das 
    
  
  
  
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Grundeigenthum Sr im Befitze des nöthigen Betriebscapitales gefunden hat, und 
gleichzeiti ig erft dann, wenn die flüffigen Capitalien des Landes nicht durch 
andere induf rielle Unternehmungen abforbirt wurden. In Rufsland zeigte fich diefe 
grofse Schwierigkeit auch infoferne, als man für die landwirthfchaftlich ıen Güter 
nur mit grofser Schwierigkeit Capitalien auftreiben konnte, weil bei dem Mangel 
an flüffigem Capital in Rufsland fel bft Alles, was nur irgend mobil war, 
höhere Erträge abwerfenden Induftrie- und Staatsanlagen zuftrömte. Es 
durchaus nicht zu verwundern, dafs vom Jahre 1861 ab Klagen über die abneh 
mende Production der Landwirthfchaft fortwährend aufgetaucht find. In der erften 
Zeit konnte man fich Rechnung darüber geben, welche Klagen wirklich berechtigt 
waren, denn es läfst fich nat ee nicht leugnen, dafs eine folche radicale 
ee auch momentan manche Uebel mit fich bringt. Dagegen läfst fich 
- achdem zwölf Jahre feit jener grofsartigen Reform gern fen find, doch die 
< ituation als fchon geklärt betrachten, wenn auch einzelne Uel Rn le fich erft 
nach Jahrzehnten werden vollftändig tilgen laffen. Man kann daher fchon jetzt mit 
Zuhilfenahme der Statiftik und bei klarer unparteiifcher Be der ganzen 
Sachlage genau beurtheilen, in welcher Weife fich die landwirthfchaftlichen Verhält- 
niffe in nd entwickelt haben, und wie deren Zukunft fein wird. Unter diefen 
Umftänden konnte man nur mit Freuden den Umftand | begrüfsen, dafs von Seite der 
ruffifchen Regierung eine Enqu£te zur Prüfung der landw irthfchaftlichen Verhält- 
niffe hun wurde, deren Refultate vor Kassen zur V eröffentlichung gelangten. 
Wenn wir diefe Refultate mit vorurtheilsfreiem Auge betrachten. fo müffen 
wir namentlich berückfichtigen, dafs Rufsland nach fo Kusver Zeit freier Entwick- 
lung fich die rationelle Betreibung der Landwirthfchaft noch nicht ganz angeeignet 
haben kann. Wir lernen nur die dem Lande innewohnenden Kräfte Eon: en, um 
daraus einen Schlufs zu ziehen, was das Land zu leiften im Stande ift, wenn es 
wie in den Nachbarländern, die Hilfe der Wiffenfchaft mit der natürlichen Kraft 
vereinigt. Die grofsen Anftrengungen, welche für die Entwi icklung von der Regie- 
rung und dem Volke gemacht werden, laffen ein gutes Refultat erwarten. 
Ueber die landw irthfchaftliche Enqu£te felbft, deren Ergebniffe wir alseinen 
durchaus unpartei iifchen undruhigen Ausdruck der V olksmeinun; g müffen, 
wollen wirnoch bemerken, dafs diefelbe von dem Grafen Peter Valluj Je w, Minifter 
derDomänen, präfidirt wurde und aus zehn Mitgliedern von verfchiedenen M inifterien 
zufammengefetzt war. DieUnterfuchung wurde aa des vergangenen Jahres geführt. 
Alle Gouverneure, die P esien der landwirthfchaftlichen Gefellfchaften 
und eine grofse Anzahl vertrauenswürdiger Perfonen haben an diefem Gutachten 
gearbeitet, das wir gerne benützen, weil es uns, trotz unferes längeren Aufent- 
haltes in were hiedanen Gegenden Eullande: u gelungen ift, etwas Vollfändi- 
geres und Wa ahrheitsgetreueres über diefen Gegenftand zu fammeln. 
den weit 
ift daher 
ıgelangt waren. In Rufsland dagegen ift diefelbe mit einer 
   
   
  
  
       
   
   
   
    
     
  
  
   
   
   
    
   
  
   
  
  
  
      
    
   
      
   
  
  
    
        
   
  
   
     
    
   
  
   
  
   
   
      
   
  
    
    
   
   
     
  
  
  
  
  
   
     
  
  
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