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Rufsland. 83
Rechnet man noch hinzu, wie viel die ruffifche Regierung für Einführung
von Ackerbau- und Forftfchulen, für Gewinnung tüchtiger Lehrkräfte, für das Ver-
beffern und Mehren der Volksfchulen und für all’ dieMafsnahmen, die nöthig find,
um ein freigewordenes Volk von den beftehenden Vorurtheilen zu löfen, gethan
hat, fo kann man derfelben in keiner Weife eine Läffigkeit vorwerfen und kann
eben nur in der Kürze der Zeit, welche feit der Reform verfloffen, in der allzu-
fchnellen Wirkung die Urfache etwaiger Uebelftände erblicken.
Was die Theilbarkeit der Güteranlangt, foift hervorzuheben, dafs, wenn auch
eineVeräufserung, refpective Theilung des Grundbefitzes geftattet wäre, diefelbe fich
dochnichtaufdaslandwirthfchaftliche Inventar und den Viehftand erftrecken dürfte.
Es fteht erfahrungsgemäfs feft, dafs eine allzuleichte Theilung und
Mobilifirung des Eigenthums leicht zur Verarmung führen kann, fo lange die
Bodenwerthe an fich oder das dadurch bedingte Erträgnifs noch gering find.
Da nun die Kinderkrankheiten der grofsen Reform überwunden find und die
Periode der Befferung in Ausficht fteht, fo dürfte es doch gefährlich fein, gerade
jetzt Beftimmungen zu treffen, welche die Theilbarkeit der Güter verhindern
follen, während man in allen weftlichen Ländern gerade das Gegentheil thut und
alle die freie Dispofition über das Eigenthum hindernden Beftimmungen principiell
zu befeitigen fucht.
Auch hier dürfte es fich empfehlen, eine Uebergangsperiode zu wählen
und vielleicht nur auf die Dauer einiger Jahre einige befchränkende Beftimmun-
gen einzuführen.
Der weitaus wichtigfte Punkt zur Hebung der Landwirthfchaft dürfte wohl
in der Förderung der Viehzucht liegen.
Was nun diefe Förderung anbelangt, fo hat die Commiffion es für nützlich
erachtet, der Regierung anzuempfehlen, ihr Augenmerk namentlich auf diejenigen
Mafsregeln zu richten, welche eine Bekämpfung der Viehfeuche ermöglichen,
in Verbindung hiemit die Transportanftalten zur Einführung rationellerer Ein-
richtungen für den Transport anzuhalten und endlich durch Mufteranftalten und
Verftärkung der Zugthiere direct auf die Veredlung der Viehracen hinzuwirken.
In diefer Richtung, glauben wir, hat die rufüfche Regierung allerdings ein
tes Feld vor fich, denn die Veterinärkunde ift in Rufsland fo mangelhaft wie
in keinem anderen Lande, und ift namentlich das Perfonale weitaus unzureichend
für die aufserordentliche Gröfse des Reiches.
Im Anfchluffe daran müfste natürlicherweife eine obligatorifche Ver-
ficherung des gefammten Viehftandes einerfeits und die rückfichtslofe Tödtung
des verfeuchten Viehes, welche allein es möglich macht, die Seuche zu localifiren,
andererfeits verordnet werden.
Bezüglich der mangelhaften Forftcultur, die diredt eine Vertheuerung des
Brennmaterials und indiredt ganz unnatürliche klimatifche Verhältniffe fchafft, läfst
fich nur im Wege der Gefetzgebung, welche der Verwüftung der Wälder Einhalt
zu thun hat, ergiebige Abhilfe fchaffen.
Man ift in Rufsland befchäftigt, das Hypothekengefetz vollftändig umzu-
arbeiten, und wir glauben, dafs in Verbindung hiemit auch der Waldfchutz in
rationeller Weife in Berathung gezogen werden könnte.
Da wir gerade vom Hypothekengefetze fprechen, fo wollen wir unfere
Anficht darüber dahin präcifiren, dafs mit der Creirung einer grofsen Anzahl von
Hypothekarbanken, wie folche auch in letzter Zeit entftanden find, der Geldcala-
mität der Grundbefitzer abgeholfen werden wird.
Die Steuern find, wie wir ziffermäfsig nachweifen könnten, namentlich für
die Waldfläche viel zu hoch. Um den Anbau zu begünftigen, wäre es wohl zweck-
mäfsig, für eine Reihe von Jahren die Forftcultur fteuerfrei zu laffen, denn nur
dadurch kann das beftehende Mifsverhältnifs gemildert werden.
Das Syftem der Bewilligung von Prämien wäre ebenfalls in zweckmäfsiger
Weife damit in Verbindung zu bringen.