Full text: Russland (Heft 70)

  
  
   
  
   
  
  
  
  
   
    
   
   
  
  
   
    
  
  
   
  
   
   
   
  
  
   
  
  
   
   
    
   
  
  
   
   
   
     
   
  
   
   
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
    
   
  
   
  
   
   
   
  
  
  
  
   
   
       
Rufsland. 
Erörterungen den mit unferen ausführlicher entwickelten Anfichten vollftändig 
harmonirenden Auslaffungen eines durchaus unparteiifchen Engländers *), welcher 
durch lange Jahre in Rufsland gelebt und mit dem Scharfblicke eines praktifchen 
Gefchäftsmannes die Verhältniffe ftudirt und beurtheilt hat. 
Es ift unvermeidlich, dafs, wo fich eine grofse Reform vollzieht, fich bei der 
Ausführung Irrthümer mit einfchleichen, und auch die Emancipation ift diefem allge- 
meinen Gefetze nicht entgangen. Galt es hiebei doch, den widerfprechendften 
Intereffen gerecht zu weı den, und die Meinungen über die Mittel, welche ange- 
wendet werden müfsten, um weder den Herren, noch den Leibeigenen zu nahe zu 
treten, waren fehr getheilt. Freilich fchwieg mit der Durchführung des Gefetzes 
die Oppofition dagegen noch lange nicht, und es find vornehmlich die Grundbelitzer, 
welche den immer fühlbarer werdenden Mangel an ländlichen Arbeitskräften 
ausfchliefslich auf die Aufhebung der Leibeigenfchaft zurückführen. Es ift aller- 
dings Thatfache, dafs in manchen Theilen des Reiches dem Ackerbau zu gewiffen 
Epochen, namentlich zur Zeit der Beftellung und der Ernte, die Arme fehlen; aber 
damit ift die Emancipation noch lange nicht zu verurtheilen. Ohne behaupten zu 
wollen, dafs die Seltenheit der Arbeitskräfte für den Gutsherrn ein Vortheil fei, 
geht doch daraus hervor. dafs der Bauer von feiner Freilaffung unmittelbar Nutzen 
anden hat, denn er weifs auf feinem eigenen Grund und Boden aus- 
ıger ift der rufffche Bauer 
s eben in Rufsland. Wohl 
zu ziehen verft 
reichende Befchäftigung zu finden. Denn ein Müfsiggät 
In keinem Lande trifft man fo wenige Bettler al 
nicht. 
ten wie in allen anderen gröfseren Städten Weltt- 
bt es deren in den grofsen Städ g 
aber fie find hier profeffionell, das heifst, fie bitten um Naturalgaben, 
Die Haupturfache des Mangels an Arbeitskr 
begründet haben) in der immer gröfser werden- 
ergeben wird. Die Emancipation 
oj 
o- 
europas, 
welche fie alsdann verkaufen. 
äiten 
  
liegt (wie wir diefs an anderer Stelle 
den Ausdehnung des Bodens, welcher der Culturüb 
der Leibeigenen hat viele Grundbefitzer ungeheurer Einkünfte beraubt, die ihnen 
aus demObrok floffen, der perfönlichen Abgabe eines Leibeigenenfür die Erlaubnifs- 
irgend ein Gewerbe aufeigene Hand betreiben zu dürfen. Sie haben naturgemäfs nun 
ihrem Grund und Boden eine gröfsere Aufmerkfamkeit zugewendetund {fuchen dem- 
felben einen möglichft reichen Ertrag abzugewinnen. Wenn fie nunüber den Mangel 
an Arbeitskräften fchreien und klagen. und dafs die Emancipation fie ruinirt habe, fo 
ift das nicht richtig ; der wahre Grund liegt in derSchwierigkeit, eine ausreichende 
Zahlvon Armen für den Anbauvon Landftrichen zu finden,die bis dahin brachgelegen 
hatten und keiner Arbeit bedurften. So lange man nicht Mafsregeln ergreift, um eine 
fortdauernde Emigration zwifchen den Provinzen, wo Arbeitskräfte im Ueberflufsund 
denen. wo folche nur fpärlich vorhanden find, zu vermitteln, wird esin Rufsland 
Ts fteht feft, dafs der Ruffe, fo viel auch über feinen Hang 
zum Nomadenleben gefagt und gefchrieben worden if, fich doch fehr fchwer zum 
Auswandern entfchliefst. Er verabfcheut dasVerändern feines Domicils, und Niemand 
klebtfefter an der Scholle als der Bauer. Der emancipirte Leibeigene hat das Gefühl 
feiner Freiheit; er begreift die Vortheile feiner neuen Stellung und fieht allmälig 
anderswo Arbeit zu füuchen, dafs fein Grund und 
Die Eifenbahnen machen es ihm möglich, 
die Reifen erweitern feinen Gefichtskreis, 
den gröfstmöglichen Vortheil aus 
bhängig und braucht nicht 
immer an Armen fehlen. 
ein, dafs er es nicht nöthig hat, 
Boden zu feiner Ernährung ausreicht. 
feine Produdte theuerer zu verkaufen; 
entwickeln feine Intelligenz und lehren ihn, 
feiner Arbeit zu ziehen; er wird mit der Zeit ganz una 
mehr für Andere zu arbeiten. Aus alledem geht hervor, dafs die Taglöhner immer 
feltener werden müffen, wenn man nicht die Bevölkerung durch Zuzug zu ver- 
gröfsern trachtet. Natürlicherweife wird damit eine Erhöhung der Löhne Hand 
in Hand gehen; fechon jetzt find diefelben in den Städten beträchtlich höher als 
auf dem Lande, und je leichter die Communication wird, um defto höher wird der 
Taglohn des Arbeiters fteigen. Immerhin it von einem wirklichen fühlbaren 
  
*) Barry, „Das neue Rufsland“, 1873, S, go u. fl. 
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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