4 Anton Harpke.
Sie dient, in der Weberei als Schufs und Kette verwendet, theils als Surrogat, um
die bisher aus reinem Materiale erzeugten Gewebe zu imitiren, theils als felbft-
ftändiges Materiale, welches Effedte hervorbringt, die anders nicht zu erzielen
wären. Sie hat ferner als Nähfeide wie als Franfenfeide geradezu coloffale Ver-
breitung gefunden.
Chappe fpinnen alle Induftrieftaaten Europas, als: England, die Schweiz,
Frankreich, Deutfchland, Oefterreich, Italien u. f. w. Die Güte der Produde ift
felbftverftändlich fehr verfchieden; es ift hiebei die von den einzelnen Etabliffe-
ments verwendete Sorgfalt bei Einkauf des Materiales ein mafsgebender Fadtor.
Oelfterreich befitzt in diefem Fache Fabriken, die Vorzügliches leiften, und feien
diefelben hauptfächlich darum erwähnt, weil die Chappefpinnerei den in Oefter-
reich verhältnifsmäfsig jungen Induftriezweigen beizuzählen ift.
Die Chappe wird vor ihrer Verwendung vielfach der fogenannten Faden-
Appretur (Sengen, Leimen, Glänzen) unterzogen. Diefe mehrfach verfchiedenen
Verfahren bilden nur in geringem Mafse felbftffändige Erwerbszweige, die gröfseren
Confumenten beforgen meift jene Vorbereitungsarbeiten in ihren eigenen Etabliffe-
ments, da deren mehr oder minder gelungene Durchführung oft über die Verkäuflich-
keit der betreffenden Artikel entfcheidet. Die Fadenappretur, bereits zur Zeit der
letzten Weltausftellung vielfach in Anwendung, hat feither viel an Ausdehnung
und Bedeutung gewonnen und auf andere Stoffe, zum Beifpiel Baumwoll-Zwirn
angewendet, Veranlaffung zu verfchiedenen ganz rationellen Surrogirungen gegeben.
Die Nähfeiden-Induftrie ift ein bedeutender Erwerbszweig, in welchem es
einzelne Häufer Deutfchlands und Frankreichs zu ftaunenswerther Bedeutung
gebracht. haben. Auf der Ausftellung waren alle Induftrieftaaten Europas mit
wenigen Ausnahmen — worunter Oefterreich — vertreten.
Die Seidenfärberei hatte unmittelbar vor der letzten Weltausftellun
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eine Umwälzung erfahren, wie fie felten in einem Induftriezweige vorkommen mag.
Es gefchah diefs durch die Einführung der Anilinfarben. Die feither zu fignalifirenden
Veränderungen find nicht bedeutend zu nennen, fie find eben Confequenzen der neu
eingefchlagenen Richtung; ein Nachholen, ein Befeftigen, ein Vereinfachen. Speciell
wäre nur der Einführung des Saffranins zu gedenken. Die in letzterer Zeit in
Anwendung gekommenen metamorphofirenden Farben find, fo frappant fie auch
wirken, doch fchwerlich von durchgreifender Bedeutung.
Die Schwarzfärberei hat feit 1867 infoferne namhafte Fortfchritte gemacht,
als bei mäfsiger Schwerung eine jedenfalls gröfsere Halbtbarkeit des Fadens erzielt
worden ift. Die übermäfsige Chargirung hat trotz allem Raffinement der Behandlung
die baldige Zerflörung des Fadens im Gefolge — eine Abftellung diefer nur zu
häufigen Uebertreibungen, die hauptfächlich im Intereffe des Confumenten zu wün-
{chen wäre, iftjedochnurimWege einer natürlichen, allmäligen Reaction zu erwarten.
Auf der Ausftellung war Frankreich durch feine Lyoner Färber glänzend
vertreten. Deutfchland und die Schweiz haben ihren Part nur markirt, obfchon fie
Etabliffements befitzen, deren Bedeutung weit über die Grenzen ihrer Länder geht.
Oefterreich war bei nicht allzu zahlreicher Vertretung würdig repräfentirt
und find die Leiftungen feiner Färber hauptfächlich auf dem Gebiete der Schön-
färberei ihren gröfser entwickelten ausländifchen Collegen an Güte gewifs eben-
bürtig. Italiens Färber betheiligten fich in minder hervorragender Weife, die der
übrigen Staaten faft gar nicht.
Wir beginnen nunmehr mit der Befprechung der eigentlichen Seiden-
weberei, undzwar mit dem mächtigften Repräfentanten derfelben, mit Frankreich.
Vielfach war die Meinung verbreitet, dafs Frankreichs Induftrie durch die
Vernachläffigung, welche fchon feit geraumer Zeit den fagonnirten Stoffen zu Theil
wird, grofse Einbufse erlitten haben müffe, nachdem man gerade jene Artikel
mit Recht als die eigenfte Domäne der franzöfifchen Induftrie betrachtet. Die im
Auftrage der Handelskammer von Lyon veröffentlichte Denkfchrift über die Lyoner
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