Ignaz Ortmann.
Wir wollen Umfchau halten über die Frauenkleider, welche uns von allen
Weltgegenden zur Anfıcht eingefchickt worden find; wollen aber nicht von
unferen. weiblichen Antipoden, den Bewohnern von Ousensnd oder von den
Samojeden, Kirkifen oder den vielfältigen Trachten der Bewohner von Turkiftan
berichten, fondern, da uns diefe doch allzuweit entrückt fcheinen, auch für das
wirthfchaftliche Leben der Culturwelt an wenig Bedeutung haben, befchränken
uns blofs aufjene Landesgebiete, die uns äfthetife h und wirthfchaftlich bedeutend
erfcheinen.
Wenn wir die Induftriehalle von Weft nach Of im Geifte wieder durch-
fchreiten, fo fehen wir am Eingange einer links liegenden Quergallerie eine reich-
gekleidete Dame aus Indien vor uns ftehen, a uns genügenden Beweis gibt,
welch’ aufserordentliche Erfindungsgaben die Frauen be fitzen, um ihren Körper
zu decoriren.
Die Büfte diefer indifchen Dame war durch eine eng anliegende, aus
grüner Levantine, artig gearbeitetem Seidenftoff gemachte Talke bedeckt, unter
ve aus Gaze an, das Chemifette und die Aermel hervorfchauten ; von den
lüften bis zu den Füfsen herab fiel ein faltiger Rock aus blauem, en
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Sowohl die Jacke als auch der Rock waren mit vielen Gold- und Silber-
börteln verziert. Beide Kleidungsftücke wurden um die Taille durch einen aus
Goldborten zufammengefügten Gürtel feftgehalten, welcher mit feinen beiden
Enden eine herabfallende reiche Golddquafte bildete. Ein aus rothem (Bobbinet)
Tüll vom Kopf bis zu den Knien reichender Schleier, der wieder an feinen Kanten
mit reichem Gold- und Silberfchmuck bordirt war, el über diefen Anzug.
Die Ohren diefer Dame waren mit ungeheuer reichhältigen Behängen an-
gethan, die Nafe war mit einem goldenen, Gele en Reif durzogen, der mindeftens
zehn Centimeter Durchmeffer hatte, und Er an dem linken Nafenflügel ein mit
Perlen gezierter Goldknopf oder Rofette, gleichfam um das V srlehichen des
Ringes in der Nafe zu verhindern. Aufser diefem waren noch die Stirn, der Hals,
die Be Finger und Zehen reich mit Schmuck beladen.
Die ne Be en diefer Dame ausgeftellten, reich mit Gold auf ee geftickten
indifchen Shawls, Tücher und-Echarpe »n nebft vielen anderen Toilettegegenftänden
von blendender Pracht und Mannigfaltigkeit unterffützen unfere am . Eingange
gemachte Behauptung.
In einer anderen, von der indifchen entfernteren Galerie ftand eine nicht
minder geputzte Dame aus China. Diefelbe war in einen weiten blauen Atlas-
paletot mit weiten Aermeln gehüllt, die Vordertheile desfelben legten fich über-
einander und liefsen die Formen ihrer Taille wenig beobachten. Diefer Oberrock
oder Paletot war mit bunter en (deren Unübertrefflichkeit uns durch
die feit vielen Jahren von dorthernach Europa eingeführten Creppontücher hin-
reichend bekannt ift), reichlichft verziert. Unter a Kleidungsftück, welches
bis an die Knie reicht, fiel ein dunkelrother Crepprock hervor, der die Füfse
total verfteckte, und nach rückwärtsin eine kleine Schleppe auslief. Diefer Schlepp-
rock war mit ganz dünnen Goldfäden verfchnürt und läfst fich der Reichthum,
fowie die gefchmack- und ftilvolle Blattzeichnung und ungewöhnliche Präcifion
diefer Verfchnürung nicht leicht fchildern. Der Kopf der Dame war mit einem
(ehr reichen, aus Gold und Blumen componirten en Schmuck bedeckt.
Ihre Ohren hatten eine ziemliche Laft von zwei phantaft ifchen Ohrgehängen zu
tragen.
So fehr auch diefe Chinefin ihre Füfse unferen Augen verborgen hielt, fo
konnten wir doch durch die nebenan ausgetftellten, fchön geftickten, kleinen Schuhe
fehen, dafs die Chinefinen auch diefem Theil ihres Körpers mehr Aufmerk-
(famkeit, als gerade nöthig zuwenden mögen.
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