Ignaz Ortmann.
Seide wird für die Toiletten der eleganteren Türkinen am meiften ange-
wendet, auch fpielt beiihnen die Stickerei, Tambourarbeit und Verfchnürung durch
Gold, Silber und Seide eine hervorragende Rolle.
Der Gold-, Silber-, und Juwelenfchmuck wird auch hier in der übermäfsigften
Weife angewendet. Vorzüglich bekunden die Türkinen eine grofse Vorliebe, fich
mit Silber- und Goldmünzen zu fchmücken. Mehrere fah man auf der Ausftellung,
deren Ohrgehänge bis über den Bufen herabreichten, und fo wie bei jener Indierin
fahen wir auch bei einer Türkin die Nafe zu beiden Seiten durch je einen Gold-
knopf, mit Edelfteinen befetzt, verziert.
Die in der türkifchen Abtheilung übrigens ausgeftellten Stickereien bekun-
deten nicht mehr jene Originalität, durch die fie fich einen nicht unverdienten Ruf
erworben hatten. Diefsmal konnten wir nur Wenigem unter diefen Artikeln unferen
Beifall fchenken, worunter ein weifser Shawls gehörte, der von dem deutfchen
Gewerbemufeum angekauft wurde.
Tunis hatte mehrere recht vornehme Frauen in feiner Abtheilung ftehen,
die von den türkifchen in ihren Coftümen abweichen. Im Gegenfatze zu der
türkifchen Braut trägt die tunefifche ftatt des langen, weiten, anderfeits befchriebenen
Kleidungsftückes enge, halbanliegende, bis über die Wade herabreichende Hofen,
diefe find aus buntem, fchwerem Seidenftoff gemacht und mit reicher Goldftickerei
beladen. Ihr Oberkörper fteckt in einer engen, goldgeftickten Jacke, unter der
ein ebenfo gefticktes Gazehemd (Tunica) hervorfällt; ein rothes Seidentuch mit
Goldborduren umhüllt fie von oben bis unten in ihrem rückwärtigen Körper, und
ift fie aufser mit einem Goldkranz auf dem Haupte noch mit einer Menge zwecklos
herabhängender, bunt geflickter Bänder aufgeputzt. Ihre Füfse trugen goldgeftickte,
fpitzige Schuhe.
Wer vermag es endlich, die reichhaltigen, mannigfaltigften und phantafie-
vollften Gruppen und Trachten der Griechen, Rumänen, Walachen, Dalmatiner
und öfterreichifchen Küftenbewohner zu fchildern ?
Wer könnte die vielfarbigen, malerifchen Coftume hinreichend befchreiben
die uns von Schweden und Norwegen, von Holland in feinen niederländifchen und
von Mähren in feinen hanakifchen Bauerntrachten hingeftellt wurden? Wie
anziehend waren nicht die nach Dutzenden zählenden, von Papierpappe fo kunft-
gerecht ausgeführten Figürchen, von denen uns jedes einzelne einen anderen
Typus der fpanifchen Volkstrachten zeigte?
Wir wollen aber nicht weiter auf die Kleidungen uns fremder Nationen
eingehen, fondern, da diefelben zumeift nur in den Geweben, aus denen fie
gemacht, von Intereffe, diefe aber in der nationalen Hausinduftrie und in der
Betrachtung der Webftoffe weitere Beachtung finden, uns ein wenig in den Garde-
roben unferer heimifchen Damen umfehen.
Leider müffen wir bemerken, dafs gerade der Zweig, die Bekleidungs-
Induftrie für Frauen, der eine fo umfangreiche Ausdehnung hat, der fo viele
Taufende von Menfchen befchäftigt, den in feinen fchrankenlofeften und ver-
fchiedenartigften Productionsrichtungen nahezu die meiften anderen Induftrie-
gruppen unterftützen, dem jeder Menfch mehr oder weniger tributpflichtig werden
mufs, dafs gerade diefer Induftriezweig nur in dem fpärlichften Mafse auf der
Weltausftellung 1873 vertreten war.
Oefterreich war durch vier Firmen aus Wien;
Ungarn durch eine Firma aus Peft;
Frankreich durch eine Firma von Paris;
England durch eine Firma von London vertreten.
Diefe geringe Betheiligung findet darin ihren Grund, dafs die Producenten
wegen eben der voran befprochenen Moden-Wechfelfucht der Damen von der
Betheiligung an der Ausftellung fernegehalten wurden; denn das Kleid, welches