Frauenbekleidungen.
der Ausfteller der Generaldiredtion fchon im Monate April verfügbar ftellen
mufste, ift durch den rapiden Wechfel der Mode im Juni fchon wieder hal
antiquirt, und verfehlt fomit zum gröfsten Theil feinen Zweck.
Ein zweiter Factor diefer kleinen Betheiligung mag auch dem Umftande
b
zugefchrieben werden, dafs fich diefer Artikel — was befonders für den öfter-
reichifchen Fabrikanten gilt — nicht als Exportartikel betrachten läfst. Das
Frauenkleid ift nur auf einen kleinen Kundenkreis befchränkt, den fich kein
Fabrikant durch eine Ausftellung der vorerwähnten ‚Gefchmacksveränderung
wegen erheblich erweitern würde. Die Urfache aber, warum diefer Artikel
keine Exportation erzielen kann, liegt vor Allem in unferen allzu theueren
Lebensverhältniffen, die fchon zu oft befprochen find, als dafs wir fie wieder auf-
zählen follten.
Oefterreich, welches durch drei kleine, weniger bekannte Wiener
Häufer vertreten war, brachte uns mehrere Strafsentoiletten, einige Soiree- und
Ballkleider und einen Schlafrock.. Diefelben waren durchgehends mit fehr viel
Fleifs gearbeitet, zeugten von lebhafter Phantafie und Erfindungsgabe. Auch find,
das fei hier zur Ehre unferer Induftrie. wie fchwach fie auch vertreten war,
erwähnt, fämmtliche Ausftellungen prämiirt worden.
Ungarn, durch eine bekannte renommirte Pefter Firma erfteren Ranges
repräfentirt, hatte eine fehr fchöne, reichhaltige Ausftellung gefchaffen, die dem
Haufe alle Ehre macht. Wir wollen nur erwähnen ein recht gefchmackvoll
zufammengeftelltes Ballkleid, welches von apfelgrüner Faille gemacht, mit Thee-
rofen und echten Brüffeler Applicationsfpitzen geputzt war und die [chauluftigen
Damen magifch anzog.
Frankreich, in deffen Abtheilung ein Parifer Haus feine fehr zahlreichen
Toiletten ausgeftellt hatte, hatuns leider keinen feiner Heroön der Mode vorgettellt.
Immerhin aber war die Expofition diefes einen Haufes grofsartig zu nennen. Wir
bemerkten dort ungewöhnlich reich und fchwer geftickte Strafsen-, Soirde- und
Vifitekleider. Defsgleichen mehrere Ballkleider und Sammtconfectionen von
grofsem Werthe Die Stickereien waren mit einer bewunderungswürdigen Technik
durchgeführt. Bezüglich der Schnitte der Kleider hielt fich das Parifer Haus
an die Vorfchriften der jetzigen Mode, ohne uns eine originelle Idee zu verrathen.
England. Das Londoner Haus hatte ebenfalls eine namhafte Anzahl
reicher Faillekleider zur Ausftellung gebracht. Diefelben waren alle fehr mühevoll
V
arrangirt, hatten prachtvolle Stoffe in fich, und waren auch die Farben derfelben
forecht nach dem gediegenen englifchen Gefchmack, allein wir glauben kaum, dafs
fie den Gefchmack unferer continentalen Damen befonders angelockt haben
werden.
Bei Betrachtung diefer europäifchen Damentoiletten mufsten wir unwill-
kührlich einen Rückblick auf jenes in der additionellen Ausftellung befindliche
Hochzeitskleid aus filberdurchwebtem Stoff mit goldgeftickter Bordure uns
geftatten und konnten die Dimenfionen der Frauenkleider von Einft und Tetzt
bewundern. Diefes Kleid, welches aus dem Anfange des XVII. Jahrhunderts
herrührt, hatte zu feiner Anfertigung etwa 1o Ellen Stoff erfordert, wogegen die
Kleider, welche unfere heutigen Damen tragen, und wovon wir einige von der
Ausftellung anführten, nicht weniger als 40 bis 50 Wiener Ellen, mitunter foga
darüber, beanfpruchen.
gar
Eine Ueberzeugung haben wir — und es wäre eine grofse Ungerechtigkeit
oder beifpiellofe Anmafsung und Selbftüberhebung, wenn wir ein Refum& unferer
Erfahrungen auf dem Gebiete der Frauenbekleidungen machen, und nicht bekennen
wollten, dafs die Moden der gefammten Völker des Erdballes, foweit fie von
europäifcher Cultur berührt find, ihren Urfprung in Frankreich, in Paris, haben. Es
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