> E ä 5
6 Ignaz Ortmann. Frauenbekleidungen.
mag Viele geben, die in diefen Worten eine Demüthigung finden, allein diefs
ändert diefe Thatfache nicht. Es ift Paris, woher wir die Moden unferes Hutes
und unferes Rockes erhalten, und nach der Vorfchrift von Paris trägt die modern
fein wollende Dame heute ihr Kleid lang, morgen winzig kurz, von dorther erhält
fie Ordre, ob fie ihr Haar pudern, färben oder kräufeln foll, ob der Hut ihr im
Nacken oder auf der Stirne oder Nafe fitzen mufs. Gar oft fehen wir von Frankreich
her die wunderlichfte Idee diefes oder jenes Toilettegegenftandes kommen, welche
Anfangs felbft von der modefüchtigften, koketteften Dame ungläubig belächelt und
zurückgewiefen wird, da es ihr zu excentrifch und affectirt erfcheint; doch in nicht
allzu langer Zeit darauf wird diefelbe nicht nur von ihr, fondern fogar von den
modefteften und einfachften Hausfrauen, die fich anfcheinend um keine Mode
kümmern, nicht nur allein acceptirt, fogar fehr oft in der Bizarrerie noch
übertrieben.
Wir erinnern blofs an Crinoline und Chignons.
Wir können fomit von fämmtlichen Ausftellern Wiens, Pefts, Londons
und Paris fagen, dafs fie gute Copien der verfloffenen Saifon gebracht hatten.
Wohl lange noch wird es dauern, bevor es einem anderen Lande
aufser Frankreich gelingen dürfte, feinen Einflufs auf Moden fo geltend zu
machen. i
Damit fchliefsen wir unfere kurze Betrachtung, da die geringe Zahl der
Ausfteller wenig Veranlaffung bot, nach ftatiftifchem Material zu forfchen, das aus
früheren Berichten fchon bekannt und wenig in den letzten Jahren erweitert
worden ift, und weiter die wenigen Ausftellungsobjecte uns nicht erlauben konn-
ten, weite Excurfionen in die Gebiete der Induftrie überhaupt zu machen, was
übrigens dem Rahmen des Programmes der Berichterftattung auch nicht ent-
fprechend und gewifs auch nicht angezeigt gewefen wäre.
MÄNNERKLEIDER UND COSTÜME.
Bericht von
ANTON KREUZIG,
Schneidermeifter, Handelskammer-Rath und Experte der Fury.
Wenn wir über diefe Abtheilung berichten, fo müffen wir vor Allem vor-
ausfchicken, dafs wir uns blofs auf das Wichtigfte und Nothwendigfte, und zwar
auf die Productions- und handelspolitifchen Verhältniffe befchränken, denn
wollten wir das Gebotene eingehend befprechen, fo würden wir einen ganzen
Band damit füllen können: indem, was Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit
betrifft, keine der früheren Auftellungen etwas Aehnliches geboten und alle Genres
von der theuerften Uniform und dem feinften Salonkleid, reich in Gold geftickte
Mefsornate und Kirchenparamente zur Anfchauung gebracht wurden, fo wie auch
in Feinheit und Gefchmack die Expofition der Männerkleider glänzend genannt
zu werden verdient. Was die Reichhaltigkeit betrifft, mögen die Ziffern als Beleg
gelten, da mit Ausfchlufs der dalmatinifchen, flavifchen und anderen National-
trachten 1603 Stücke ausgeftellt waren. Befonders hervorragend war aber Oefter-
reich-Ungarn vertreten, welches mit 1332 Stücken daran participirte. Von den
übrigen Ländern hatten fich Deutfchland, befonders aber Dänemark am reich-
haltigften und beften betheiligt.