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Die Stickerei und die Spitzen. 5
Die ausgeftellten Arbeiten aus Italien hielten fich aber ftreng in der Art des
Nidelichen etwa wie man ein Relief auf einer kleinen Elfenbein Tafel ausführt,
mit dem die Stickerei auch Aehnlichkeit hatte und nur durch das matte Weifs
fich vortheilhaft von der Elfenbein-Schnitzerei unterfchied. —
In den Buntftickereien wetteifert die Italienerin erfolgreich mit den
Farben der Malerpalette. Der hohe Glanz der Seide, welcher alle Farben ver-
fchönert, ift durch die dem Maler zur Verfügung ftehenden Farben nicht zu
erreichen, ebenfo nimmt die Schafwolle eine fo kräftige Sättigung der Farbe an,
dafs fie der Maler nicht auf feiner Palette findet. Wenn nun die Stickerin, wie
der Gobelinweber, eine kunftgebilde ete Malerin ift, und eine fchöne Zeichnung mit
dem Effedte des be zur Verfügung ftehenden Colorites zu verbinden weifs, % iftt
ihr der Sieg über die Reue, und Oelmalerei gewifs.
Die Talieniiche Ausftellung derF in zeigte folche Siege der Kunft-
ftickerei. Auch a e Goldftickereien find vorzüglich, fei es nun, dafs fie das Gold nur
in feinen weitgefchwungenen Linien anwenden und damit eine glänzende und
doch ne Wirkung erreichen; fei es auch, dafs fie in der ie erften Gold-
ftickerei nach Art der Orienfalen Aurch verfchiedene Arten Goldfäden und durch
verfchiedene Sticharten den Glanz des Reichthums durch eine kunftvoll orna
mentirte Zeichnung noch veredeln.
Von Italien, der Heimat der abendländifchen Kunft, aus verbreitete fich
die Stickerei als ein Kunftwerk der Frauenhand vorzugsweife auf zwei Wegen
durch Europa und feine Colonien, wie fich gefchichtlich nachweifen läfst und wie
die Weltausftellung 1873 beftätigte.
Einmal durch die Pflege der fchönen Künfte an den Höfen und dann
durch die Frauenklöfter
Alle durch ihren Einflufs auf die Politik oder durch ihren Antheil an deı
Hebung der Cultur berühmt gewordenen Fürftinen, Königinen und Kaiferinen
waren auch vorzügliche Stickerinen, wie die Kunftgefchichte lehrt und ift durch die
Kleinodien der Kunflmufeen an alten Stickereien und Spitzen in Deutfchland,
Frankreich, England und anderen Staaten belegt. Im Mittelalter beftanden am
Kaiferhofe und an anderen Fürftenhöfen enlche 3ildungsanftalten für Töchter
aus den Adelsgefchlechtern, an deren Spitze die Hausfrau vom Hofe felbft ftand.
An Arbeit fehlte es den Mitgliedern des „Frauenzimmers“ nicht. Für die Feft-
lichkeiten des Hofes, für Turniere und andere Schauftellungen waren zahlreiche
seftickte und verzierte Gewänder nothwendig, fie wurden auch, wie uns die Helden-
gefäng ye und die trockene Gefchichte erzählen, als Gefchenke und Angedenken
hei und fo kamen diefe Kunftarbeiten der Frauenhand in weite Kı a
Von diefen kunftfinnigen königlichen Frauen wurden zahlreiche Frauen-
klöfter gegründet, manche mit dem be -flimmten Zwecke, in ihren Schulen adelige
Erönlein in den Wiffenfchaften und in den Künften zu re. nach Art dr
modernen Penfionate.
In diefen Kreifen wurden nun grofsartige kunftvolle Arbeiten ee
Alte Krönungsmäntel, wie fie noch mehrere Höfe bewahren, Mefsgewänder, wie
z. B. die fogenannten burgundifchen in der kaiferlichen Schatzkammer zu wi ien,
geben Zeugnifs von diefer -Kunftblüthe an Höfen und in Klöftern.
Von beiden Kreifen aus verbreitete fich die Kun ftfertigkeit der Frauen und
namentlich die Stickerei, worunter auch die Spitzenarbeiten begriffen find, weiter
und weiter bis unter die Frauen des Volkes, wenn auch nur das weniger Kunft-
ne in der Technik aufgenommen und auf wohlfeile und geringe Se: ange-
rendet wurde. Hier w de es aber feftgehalten und vererbte Ich von Gefch Met:
zu. Gefchlecht durch viele ea als Hausarbeit, während die Ausbildung
der Gewerbe und Fabrication in den hohen Volksfchichten Alles geändert hat
Wenn man von diefem Standpunkte aus die Stickereien in den ve ie
denen Abtheilungen der Ausftellung überfchaut, fo kann man fich manches über
Rät hfel in der Arbeitsart und in der Ornamentik erklären.
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