DIE FRAUENARBEITEN.
(Anhang zu Gruppe 5.)
Bericht von
FRAU HELENE FREIIN v. RODITZKY,
Vorfteherin des Civil- Mädchenpenfionats, Fofeffladt, Wien.
Allgemeines.
In früherer Zeit, ja felbft bei der letzten Weltausftellung in Paris im Jahre
1867, konnte ein Bericht über Frauenarbeiten fchwer in ein anderes Gebiet hin-
übergreifen als in das der Kunftftickerei und der Spitzenklöppelei. Waren auch
damals fchon Frauenhände, aufser den Arbeiten und Leiftungen ihres eigent-
lichften Berufes vielfach thätig und befchäftigt, fo gefchah es doch nur mehr im
Stillen. Man beachtete diefe weibliche Thätigkeit nicht, man duldete fie nur
oder betrachtete fie mit einem gewiffen Mifstrauen. Seit den letzten Jahren ift
dies ganz anders geworden. Man wendet die gröfste Aufmerkfamkeit der
Frage der Erwerbsfähigkeit und Erwerbsbefähigung der Frauen zu. Mieles,
unendlich Vieles ift in diefer Beziehung von Oefterreich, Deutfchland, England
und Amerika etc. gefchehen. Die Jahresberichte der verfchiedenen Vereine,
welche das obengenannte Ziel anftreben, zeigen die erfreulichften Refultate ihrer
Bemühungen. Wie erftaunlich Vieles hat z. B. der erft im Jahre 1866 gegründete
Wiener Frauen-Erwerbverein geleiftet und wie viel mehr kann er bei dauernder
Entwicklung der anzuftrebenden Ziele noch leiften! In ähnlicher Weife müffen
wir des Prager Frauen-Erwerbvereins, im Jahre 1869 gegründet, gedenken. Aber
beide Vereine ftehen erft im Beginne der Thätigkeit, die fich noch immer mehr
nach allen Richtungen hin ausdehnen, durch Gründung von Specialfchulen und
Vereinen erweitern mufs. Es ift erft der Grundftein gelegt, auf dem fich das
ganze Gebäude erheben foll, denn im Verhältnifs zum grofsen Ganzen find ja erft
wenige Frauen herangebildet, die berufen find, nicht allein ihren Erwerb felbtt-
ftändig zu finden, fondern auch durch ihr Beifpiel, ihre Fertigkeit bildend auf die
Uebrigen einzuwirken, den Wunfch nach Selbftthätigkeit, den Geift regen Strebens
zu wecken, den Gefchmack heranzubilden und zu veredeln.
Die befondere Aufmerkfamkeit und Theilnahme, welche man für die Frauen-
arbeit im Allgemeinen hat, der Wunfch, den nutzbringenden Zweck der Welt-
ausftellung befonders diefem ganz neuen und fo wichtigen Zweige des wirthfchaft-
lichen Lebens und der focialen Geftaltung zuzuwenden, indem man im Vergleiche
mit den Leiftungen der Nationen unter einander beffer erkennen und verftehen
lernt, was hier und dort noch mangelt oder verbeffert werden foll, war der Grund-
gedanke zu der Ausftellung im Pavilion für Frauenarbeiten. Urfprüng-