Die Frauenarbeiten. 47
Ueberhaupt zeigen fich Wiederholungen derfelben Gefchmacksverirrungen
bei all’ den verfchiedenen Ausftellungen, als ob fie in mancher Zeit geradezu
epidemifch gewefen wären. Man fieht wohl, wie der beffere und edlere Gefchmack
mit mehr oder minderem Erfolge gegen folche Verirrungen ankämpft, aber es
wird jedenfalls noch einige Zeit bedürfen, bis er den vollftändigen Sieg über die
alten Vorurtheile erringt.
In Oefterreich waren es unter den Erziehungsanftalten vor Allen die
) Schweftern vom armen Kinde Jefu in Oberdöbling, welche durch
ihre fchönen und kunftgerechten Stickereien zuerft den Sinn für ftilrichtige
Arbeiten und Zeichnungen in diefem Zweige weckten. Das gröfste Verdienft
aber gebührt dem öfterreichifchen Mufeum, das durch alle ihm zu Gebote ftehenden
Mittel, durch feine Schulen, durch Vorlefungen und hauptfächlich durch die Aus-
gabe guter Vorlagen für Stickmufter den irre gegangenen Gefchmack in rechte
Bahnen zu leiten verfucht.
Die Arbeiten derBlinden und Taubftummen find auch in den verfchiedenen
Schulabtheilungen zur Ausftellung gekommen Man fieht, mit welchem Eifer der
Unterricht in diefen Anftalten betrieben wird, wie man keine Mühe fcheut, die |
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armen Blinden heranzubilden und ihnen durch praktifche Arbeiten nicht nur
Befchäftigung und Zerftreuung, fondern hauptfächlich die Möglichkeit des Erwerbes | HE
zu fichern. I
Die Wahl der Arbeiten fcheint fich ganz nach den Anlagen und Talenten \ N
der armen Unglücklichen zu richten, denn wir fanden da die verfchiedenartigften ht
Leiftungen auf der Ausftellung vertreten. Beinahe wunderbar ift es, wie weit es
die Schüler der Blindenanftalten in ihren manuellen Fertigkeiten gebracht haben;
da find feine, in verfchiedenen Muftern geftrickte und gehäkelte Decken und
Häubchen, ja felbft farbige Stickereien nebft feineren und gröberen Korbgeflechten.
Die Leiftungen der verfchiedenen Länder in diefen humanen Beftrebungen find, Il!
nach ihren Ausftellungen zu fchliefsen, überall fo ziemlich gleich. Im Wiener |
Verforgungshaufe für Blinde werden meift Arbeiten auf Beftellung übernommen, in
befonders werden dort um ein Billiges recht hübfche Strümpfe verfertigt. Andere
Staaten haben leider nichts in diefer Richtung ausgettellt. \
Die weiblichen Sträflinge der verfchiedenen Strafanftalten haben auch Ih
ganz gute Arbeiten geliefert, was um fo verdienftvoller ift, da wahrfchein- il
lich die meiften in ihrem früheren Leben wenig an feinere Handarbeit fich
gewöhnt hatten. Ein genähtes und gefticktes Corfet, ein Jäckchen und Häubchen
aus Klöppelarbeit; eine in Tambourftich ausgeführte Altarfpitze; ein Mufter-
band von genähten Hemdeinfätzen verdienen befondere Erwähnung. Aus Ih
den Strafanftalten anderer Länder ift nur in der Abtheilung des deutfchen | Hi
Reiches aus der Pfarre Fräfsle in Gurtwill aus Baden ein Mefskleid ausgettellt,
gut gearbeitet, doch mit einem fo complicirten Deffin, dafs es eines eigenen |
Comentars bedürfte.
Von den verfchiedenen Frauen-Erwerb- oder anderen Vereinen, welche
denfelben Zweck verfolgen, haben der Wiener und Prager Frauen-
erwerb- und der Letteverein, fo auch andere ähnliche Vereine aus
Darmftadt, Carlsruhe und Hamburg die Ausftellung befchickt.
Die beiden öfterreichifchen Vereine find am vollftändigften vertreten, und
haben nicht nur Arbeiten von Schülerinen der Nähfchule, fondern auch von den
Schülerinen der Zeichen- und Handelsfchule ausgeftellt. Der Wiener Verein,
insbefonders auch noch die Arbeiten feiner franzöfifchen, englifchen und Tele-
graphenfchulen, welche klar darthun, wie viel auch in diefer Beziehung fchon
geleiftet wurde.
Von befonderer Wichtigkeit ift der ausgeftellte Lehrgang des Zeichen-
unterrichtes und die von den Schülerinen felbft entworfenen Zeichnungen.
Ein ähnlicher Verein aus Hamburg lieferte fchöne Zeichnungen, welche eigene
Compofitionen der Schülerinen find.