18 Helene Freiin v. Roditzky.
Der badifche Frauenverein in Carlsruhe ftellte eine Decke in
Segeltuch aus mit Zeichnung von Fr. Prof. Schrötter; eine Arbeit von
Fräulein Steiner, die fehr viel Gefchmack verrieth. Auch errang eine hübfche
Mappe und eine Bettafche (desgleichen nach einer Zeichnung von Fr. Prof.
Schrötter und von Fräulein Lang ausgeführt) viel Aufmerkfamkeit. Der Lette-
verein aus Berlin fchickte einige in Gold gefafste Medaillons mit fehr künftlich
und mühevoll ausgeführten kleinen Blumenbouquets, deren Anfertigung viele
Gefchicklichkeit und Genauigkeit erfordert.
Rumänien hatte eine fehr hübfche Arbeitsausftellung veranftaltet. Das
dortige ganz vorzüglich eingerichtete Findelhaus, das alle Findlinge jeden Alters
und jeder Religion aufnimmt, hat eine Elementarfchule , eine höhere Schule, in
welcher die Kinder zu Lehrerinen herangebildet werden und ein Atelier (eine
Arbeitsfchule), in welchem jene Schülerinen aufgenommen werden, welchen die
Anlagen zur höheren geiftigen Ausbildung fehlen. Von den Schülerinen find
fehr fchöne Filet-Guipure-Arbeiten ausgeftellt, die mit grofser Genauigkeit aus-
geführt find, dann Nähereien, Weifs- und Buntftickereien für Nationalcoftume,
von den kleineren Mädchen fehr hübfch geftrickte Strümpfe, ganz rein gearbeitete
Häkelarbeiten, die vorgelegt waren, wie fie aus der Hand kamen. Sehr guten
Effect machte eine auf Segeltuch ausgeführte Arbeit, Möbelftoff imitirend, die
leicht nachzumachen ift. Im Allgemeinen find die Mufter der rumänifchen
Stickereien fchön, einfach und edel gehalten, auch erinnern fie fehr im Genre
an jene Mufter, die uns im fchwedifchen Jagdpavillon geboten wurden.
England war auf der Weltausftellung in Bezug auf weibliche Arbeiten
nur durch irifche Spitzen vertreten, die theils von Schulkindern, theils von
Erwachfenen geklöppelt, gehäkelt oder genäht wurden, und wovon befonders
einige als fehr fchön gearbeitet erfchienen.
Dilettantenarbeiten.
Merkwürdig ift es, wie fich eine uralte und mühfame Kirchen- und Klofter-
arbeit in den verfchiedenften Ländern erhalten hat, felbft in jenen, die fchon feit
Jahrhunderten proteftantifch find, io z. B. in Schweden. Wir meinen eine beftimmte
Spitzenarbeit und eine Art Leinengitter, das in früherer Zeit ausfchließslich zur
Verzierung der Alben (einem Theile des katholifchen Prieftergewandes) und der
Antipendien benützt wurde. Wir finden fie wieder, befonders die letzteren in
Brafilien, wo fie durch aus Portugal kommende Nonnen verbreitet wurden.
Auch aus Maracaibo war ein mit folchen Spitzen verziertes Tafchentuch ausgeftellt.
Diefe Leinengitter find weit mühfamer als jene, welche man unter den gewöhn-
lichen „jouren“ verfteht, denn es find die Fäden aus der Leinwand oder dem
Batifte oft bis zu 1), Elle ausgezogen und mit denfelben ausgezogenen Fäden in
verfchiedenen Stichen herrliche aus Laub- und Blumenornamenten beftehende
Deffins eingearbeitet.
In der brafilianifchen Abtheilung findet man ganz befonders fchöne Arbeiten
diefer Art. Aehnlich, aber noch bei Weitem mühfamer ift eine Arbeit, welche in
der italienifchen Schulabtheilung ausgeftellt war und die Auffchrift
trägt: „Pedera Jdi Trina ad ago sopra un sol pezzo di tela sfilata. Stile 500 ritro-
vato ed eseguito da Clorinda Nencini vedova Doneti“. Unter der Nummer 4804
war zwar nur eine Ecke vollendet, doch fah man deutlich, wie diefe mühfame
Stickerei gemacht wird. In derfelben Abtheilung fahen wir auch ganz herrliche Weifs-
und Buntflickereien und man frägt fich oft mit Staunen, ob diefe Arbeiten zu den
Schüler- und Dilettanten oder zu den gewerblichen Kunftftickereien gehören.
Befonders fchön waren die in Flachftich ausgeführten Bilder der Stickerin Lago-
maggiore, ferner die in derfelben Abtheilung ausgeftellt gewefene Stickerei Visita
delle tre Marie al Sepolcro, das fchön geftickte Sacktuch und das Bild: Magdalena