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22 Flelene Freiin v. Roditzky.
konnte wohl bewundernd davor ftehen, doch fehlt uns die Zeit und das herrliche
Material, um folche Stickereien nur annäherungsweife nachbilden zu können. In
den europäifchen Staaten, Schweden ausgenommen, tritt an die Stelle der Haus-
induftrie nun immer mehr und mehr die fabriksmäfsig organifirte Induftrie auch
für die zarteften Arbeiten und fehen wir diefelbe in der Schweiz, in Frankreich.
im böhmifch-fächfifchen Erzgebirge am Seren eften ausgebildet. Dort werden
die Arbeiten von den Fabriksherren vertheilt, die Einw ohner find befchäftigt und
finden Verdienft; damit geht freilich das Befondere im Allgemeinen unter; die
Hausinduftrie zieht fich immer mehr in entlegenere Winkel zurück und wird uns in
Jahren vielleicht nur durch einzelne Mufter in Mufeen zur Anfchauung gebracht
werden können. Aber ficherer Verdienft, geordnete Befchäftigung zieht in das
Haus ein.
Ferne von der Bewegung, die fich in Europa vollzieht, bei den Staaten
und Völkern anderer Welttheile, hat fich noch manche eigenartige Blüthe der
‘rauenarbeit behauptet, und wir können uns nicht enthalten, hier darauf hin-
zuweifen, obgleich fie in den Bericht der Kunftblumen wohl auch Erw ähnung
finden Weiden, ähnlich wie mancher Gegenftand unferer Betrachtung fchon im
Berichte von Ferdinand Stamm zur Geltung kam. Wo aber die Ordnung der
Arbeitsleiftung ebenfo wie die geleiftete Arbei felbft fo innig ineinander greift,
läfst fich eine mathematifch genaue Trennung wohl nicht sinhalfen und die Wieder
ıolung ift der Vollftändigkeit halber geboten.
Doch wollen wir uns fehr kurz faflen:
In der brafilianifchen Abtheilung nämlich erregten die Federblumen von
Mademoifelle Nathe& allgemeine Bewunderung. Diefes Gefchäft nimmt fchon
Mädchen mit8 Jahren auf, um ihnen diefe Arbeit 2 zu lehren, in welcher fie es bald
zu einer ftaunenswerthen Fertigkeit bringen, um entweder zu Haufe oder in einem
Gefchäfte die Arbeit als Erwerb zu üben. Oft nimmt diefes Etabliffement auch
Waifenkinder auf, die dann dort ganz erzogen werden. Ihre gefchicktefte Arbei-
terin ift gegenwärtig ein folches, eine junge Mulattin, die noch nicht 16 Jahre alt
iftt. Die jungen Arbeiterinen müffen nach.der Natur ihre Arbeit bilden. Man gibt
ihnen eine Blume zum Mufter und fie copiren fie dann in Federn. Die Mystkeri-
b »ouquets, Camelien, Nachtfchatten und ein kleiner Zweig rother Blüthen, wie fie
die Ausftellung zeigte, waren Kunftwerke. An den befonders gefuchten Fächern
war die feine Biegung der Federn bemerkenswerth, ebenfo wie die wohlthuende
fanfte Mifchung der Farben.
Gegenüber in der amerikanifchen Abtheilung waren mehrere aus Wachs
verfertigte Blumenbouquets vonMifs Bloodyvod ausgeftellt, diemit unendlicher
Weichheit modellirt waren.
So fehen wir in der kurzen Skizze, die wir gegeben, dafs der Satz, den
Dr. Ferdinand Stamm in feinem Berichte aufftellt, der Satz: dafs der weiblichen
Hand noch viel zu thun übrig bleibt, vollkommen wahr ift. Die weibliche Hand
hat damit’den Stolz, dafs fie behaupten kann, dafs, wenn auch die Mafchine ihr
allenthalben nachdringe, diefe doch nimmer Alles wird fchaffen können, was die
weibliche Hand leiftet, und wenn fie es einmal thut, wird die Hand doch fchon
längft wieder das Neuere gefchaffen haben.
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