Hermann Lichnovsky.
diefes Gebiet auch die Betrachtung der ausgeftellten Sattler- und Tafchnerwaaren
für fich in Anfpruch genommen hat. Die zur Militärausrüftung gehörigen Riemzeuge
und Sattlerprodudte hat die officielle Gruppeneintheilung felbft ausgefchieden
und der Gruppe XVI, Section ı, Heeresorganifation, Truppenausrüftung u. f. w.
zugewiefen. Wir verweifen daher auf diefe beiden Berichte ebenfo wie auf den
Bericht der Gruppe VI, Section I, und fchränken unfere eigene Berichterftattung,
wenn wir fo fagen dürfen, auf das bürgerliche Riemergewerbe ein. Dabei wollen
wir uns fo kurz als möglich faffen und geben von Vorneherein die Ländereinthei-
lung und Folge derfelben im Ausftellungspalafte auf und folgen in unferer Betrach-
tung zuerft den Meiftern des Riemergewerbes: den Spaniern und Italienern, dann
den Ruffen, deren gewerbliche Thätigkeit ein vortreffliches Rohmaterial unter-
ftützt; dann wollen wir den deutfchen und öfterreichifchen Ausftellungsobjecten
unferer Branche unfere Aufmerkfamkeit zuwenden. Am Schluffe müffen wir der
eigenthümlichen Erzeugungsweife und der Ausftellungsgegenflände der Ameri-
kaner gedenken. Sie haben zuerft die Nähmafchine bei der Erzeugung ftarker
Riemerwaaren verwendet und verwenden fie heute noch faft ausfchliefslich, die
Handarbeit gänzlich damit verdrängend. Die Frage der Benützung der Näh-
mafchinen wurde übrigens allenthalben und auch bei uns in Oefterreich für das
Riemergewerbe ernfllich in Erwägung gezogen, aber ift keineswegs zum Vortheile
derfelben entfchieden worden.
Spanienift das Land der kunftvollften Riemerartikel und gewiffermafsen
die Schule der höchftentwickelten Riemerei, was Kunftfertigkeit, Pracht und
Glanz der Arbeit zumeift der Sättel und Reitzeuge anbelangt. Vielfach werden
die Produdte für Mufeen und Schulen als Mufter und Vorlagen auf dem Continente
angekauft, und find in der That wahre Mufter für künftlerifche Motive bei einem
Gewerbe, das, wenn auch keineswegs guten Gefchmack ausfchliefst, doch wegen
feiner praktifchen Ziele der Kunft wenig zugängig ift. Die Reitfättel von Garcia
Dorado aus Valladolid ebenfo wie die Herren- und Damenfättel von Rodrı-
guez Zurdo J. in Madrid zählten zu den fchönften der Ausftellung. Ein Ein-
fpänner-Cabriolet von braunem Naturleder. war fo aufserordentlich glanzvoll
gearbeitet, dafs nichts mit demfelben zu vergleichen und man in Verfuchung war,
dasfelbe lieber in einem Mufeum aufbewahrt als dem Gebrauche zugeführt zu
fehen. Viel gibt auch das Nationalcoftume, die zahlreichen Riemzeugbehänge der
fpanifchen Pferde und Maulthiere dem Riemer zu thun und ift ficherlich diefs
gerade die lebendige Förderung des ganzen, fo hoch entwickelten Gewerbes.
Italien fteht mit feinen Riemerwaaren, Sätteln und Gefchirren den fpa-
nifchen Erzeugniffen zunächfi. Rom und Florenz leiften ganz Vorzügliches und
zeigte ein Cabriolet von geprefstem Leder, welche Mühe und Sorgfalt man der
Ausftattung zuwendet. Nicht allein derartige Prachtftücke, fondern auch die
gewöhnlichen Gefchirre, wie fie Farlatti aus Genua, Mafetti aus Bologna und
Andere ausgeftellt hatten, waren ganz vortreffllich und überaus forgfältig gear
beitet.
Rufsland wird in der Erzeugung von Gefchirren, Sätteln u. dgl. durch
ein vorzügliches Rohmaterial und eine ganz eigenartige Bearbeitung desfelben
aufserordentlich unterftützt. Die für Riemzeug und Sattlerwaaren beftimmten
Häute werden in einem eigenthümlich zugerichteten Fett fo lange gedreht und
gewalkt, bis fie vollkommen gefättigt jedem äufseren Einfluffe widerftehen. Das
fertige Leder ift fo erzeugt ganz unanfehnlich, ja faft ordinär, aber der daraus
erzeugte Riemen und wenn er noch fo fchmal ift, ift von aufserordentlicher Feflig-
keit und Dauerhaftigkeit und widerfteht der äufserften Anftrengung und Benützung.
Die ruffifchen Pferdegefchirre werden daher auch aus lauter fchmalen Riemen
zufammengefetzt und geben dadurch dem ganzen Zeug trotz des fcheinbar ordi-
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