Full text: Die Goldschmiedekunst (Heft 88)

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36 Jakob Falke, 
wenn fie irgend einen dritten Gegenftand, eine Blume, einen Blüthenzweig, einen 
Kranz oder gar ein Thier nachbilden. Wenn fie damit Ziel und Zweck erreichen, 
fo ift das zufällig. Wir wollen jene Decorationsmotive nicht aus der Juwelier- 
kunft, nicht von den Edelfteinen verbannen, aber fie müffen einerhöheren Abficht 
untergeordnet werden, und es wird fich daraus ergeben, dafs fie eher filifirt 
und regelmäfsig zu behandeln find, als mit der Unregelmäfsigkeit der Naturnach- 
ahmung, die ohnehin fchwer in dem widerftrebenden eigenartigen Material zu 
erreichen it. 
Es kommt noch hinzu, dafs die Edelfteine felbft ihrer kryftallinifchen 
Natur und Geftaltung nach auf eine mehr regelmäfsige, ftrengere künftlerifche 
Compofition des Schmuckes hinweifen und dafs auch die Art ihrer Wirkung das 
Gleiche verlangt. Und diefes letztere. gilt ganz insbefondere vom Diamanten. 
Seine künftlerifche Wirkung befteht, wie fchon angegeben, in dem ewig wech- 
felnden Lichterfpiel, in dem Aufleuchten und ebenfo rafchen Verfchwinden der 
farbigen Blitze. Wollte man zu diefer Eigenfchaft auch noch die Zeichnung 
unruhig und willkürlich halten, fo würde der Effect aufhören, ein Effedt der 
Kunft zu fein; es wäre ein Effect des unbeherrfchten Zufalls. Es folgt daraus, 
dafs man richtiger handelt, die unruhigen, unficheren Strahlen gewiffermafsen 
in Zwang und Bann zu thun, ihnen beftimmte Linien, fichere Richtung anzuwei- 
fen. Und diefs kann nur dadurch gefchehen, dafs man die Zeichnung, die Anord- 
nung der Steine in gewiffer Regelmäfsigkeit hält, vor allem aber, indem man den 
fternartigen Charakter begünftigt und wiederkehren läfst. 
Ift das richtig für den Brillantfchmuck an fich, fo gilt es noch insbefon- 
dere in Bezug auf den Gegenfiand, der damit gefchmückt werden foll. Ein 
fchöner, edler Kopf von regelmäfsiger Bildung verlangt einen Schmuck von 
gleicher Art; nur ein folcher, der ebenfalls in edler Form und fchönen Linien 
gehalten ift, wird ihn wahrhaft zieren, nur ein folcher wird die königliche Figur 
auch königlich fchmücken. Ein blos hübfcher, pikanter Kopf mitunregelmäfsigen 
Zügen enthält fich ohnehin beffer des grofsartigen bedeutungsvollen Schmuckes. 
Wer Gelegenheit hat, folche Beobachtungen zu machen, wird fich leicht von der 
Wahrheit überzeugen. 
Solcher Art der Compofition entfprachen von allen ausgeftellten Juwelier- 
arbeiten am meiften (neben einigen italienifchen) diejenigen von E. A. Kö- 
chert, vor allem jene Brillantgarnitur nach den Zeichnungen von Th. Hanfen. 
Vielleicht hätten, um die Zeichnung klarer zu machen, was bei Brillanten dop- 
pelt nothwendig erfcheint, die Linien getrennter, die Oeffnungen noch weiter 
gehalten werden können. Diefelben Gegenftände waren aufserdem noch in 
zweierlei Weife gelungen, einmal in der gefchickten Verbindung von Perlen mit 
Diamanten, andererfeits in der richtigen Anwendung von Thierfiguren, in diefem 
Falle von Vögeln, ohne damitin den Charakter des Naturalismus zu verfallen 
und der Unregelmäfsigkeit Vorfchub zu leiften. 
Wir zweifeln nicht, dafs diefer Charakter des Edelfteinfchmuckes fich in 
nächfter Zeit mehr und mehr Bahn brechen wird, zumal er mit der ganzen Art 
der Reform des Gefchmackes in enger Verbindung fteht. Er wird freilich noch 
auf manchen Widerftand ftofsen, und zwar bei den Trägerinen felber. So lange 
unfere Damen ftatt des allein richtigen oder zuläffigen Gehänges fich eine ein- 
zelne Perle, einen einzelnen Stein an das Ohrläppchen ftecken, als ob er wie 
ein Pilz daraus hervorgewachfen wäre, fo lange find fie nicht auf der Höhe, um 
einen wahrhaft fchönen und edlen Schmuck verftehen und fchätzen zu können. 
‘s ift aber zu hoffen, dafs das Gute Mode wird, wenn auch.nur auf dem Wege 
der Neuheit und auf diefe Weife zur Herrfchaft gelangt. Sonft wäre für den 
Augenblick nicht viel Hoffnung vorhanden.
	        
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