Full text: Chemie der organischen Farbstoffe

   
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Der Steinkohlenteer und die Zwischenprodukte. >21 
Die abfallenden Fraktionen, wie die hochsiedenden Anteile finden 
vielfache gewerbliche Anwendung, (Heizöle, Motorenöle, Waschöle 
für Benzolwäscher, Imprägnieröle, ferner neuerdings als Teerfettöle, 
hergestellt durch längeres Erhitzen hochsiedender Anthracenöle mit 
oder ohne Anwendung von Druck). 
Damit sind aber nur die wichtigsten Stoffe genannt, welche im 
Steinkohlenteer enthalten sind. Die wissenschaftliche Durchforschung 
hat bis jetzt mehr als 100 chemische Verbindungen feststellen können, 
und es werden immer noch neue gefunden. 
Die auf nächster Seite folgende Tafel!) zeigt die im Steinkohlenteer 
vorkommenden Verbindungen. 
Für die Bildung dieser Verbindungen bei der trockenen Destillation 
der Steinkohle liegen zwei Möglichkeiten vor. Man kann einmal an- 
nehmen, daß die Kohle, welche nach neueren Vorstellungen aus hoch- 
molekularen komplizierten Verbindungen besteht, zunächst bei der 
trockenen Destillation Zersetzungsprodukte der aliphatischen Reihe 
liefert, welche unter Einwirkung der hohen Temperatur in die ge- 
nannten aromatischen Verbindungen übergehen (Polymerisation). 
Beweise hierfür schienen durch die von Berthelot ausgeführten 
grundlegenden Arbeiten gegeben, wonach aus Acetylen beim Durch- 
leiten durch glühende Röhren viele im Steinkohlenteer vorhandenen 
Kohlenwasserstoffe erhalten wurden. 
Neuerdings sind diese Arbeiten von R. Meyer unter Benutzung von 
elektrischen Röhrenöfen bei einem Temperaturoptimum von 600—800° 
wieder aufgenommen worden, wobei beim Durchleiten einer Mischung 
von Acetylen und Wasserstoff fast alle auch im Steinkohlenteer auf- 
gefundenen Verbindungen nachgewiesen wurden. ; 
Eine zweite Annahme wäre, daß in der Kohle aromatische und hydro- 
aromatische Verbindungen in hochmolekularer, vielleicht in polymeri- 
sierter Form vorhanden sind, welche sich in die im Teer enthaltenen 
Verbindungen unter Einwirkung der Hitze spalten. Nach Versuchen 
von Pictet gelingt es tatsächlich in allerdings verschwindender Menge 
aus einer bestimmten Kohle hydroaromatische Kohlenwasserstoffe durch 
Destillation bei vermindertem Druck oder durch Ausziehen mit Benzol 
herauszulösen. 
Andererseits zeigtsich, daß man durch Einhalten niedrigerer Tempera- 
turen (bis 500°) einen Teer (Tieftemperaturverkokungsteer, Urteer) er- 
halten kann, welcher Paraffine, Phenole und vielleicht auch Naphthene 
enthält und durch Erhitzen auf höhere Temperatur den gewöhnlichen 
Steinkohlenteer liefert. Aus diesen Tatsachen scheint der Schluß ge- 
rechtfertigt, daß die pyrogenen Reaktionen, welche bei der trockenen 
Destillation der Kohle sich abspielen, im wesentlichen einen Abbau bis 
zu den Paraffinen, Naphthenen und Phenolen zur Folge haben und daß 
als weitere Umsetzungen die Dehydrierung und Reduktion zu aroma- 
*) Mit freundlicher Erlaubnis aus A. Spilker, O. Dittmer und R. Weiß- 
gerber, „Kokerei und Teerprodukte der Steinkohle“. W. Knapp, Halle 1920. 
     
  
    
   
    
    
    
  
    
   
   
   
  
    
  
    
   
   
     
   
   
   
  
    
   
    
   
    
  
  
  
  
  
   
    
  
	        
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