Full text: Chemie der organischen Farbstoffe

  
48 Azofarbstoffe. 
Menge diazotierbarer Basen und kuppelnder Komponenten und aus 
der Tatsache, daß der Eintritt der Azogruppe in die Komponente oft 
zwei und mehrfach geschehen kann. 
In färberischer Beziehung finden die sauren Azofarbstoffe in größ- 
tem Maßstabe zum Färben der Wolle Verwendung, basische Farbstoffe 
dienen zum Färben gebeizter Baumwolle. Von Dis-und Polyazofarbstoffen 
färben diejenigen, welche als Diazokomponente Diamine, vornehmlich 
das Benzidin und seine Homologen sowie einige andere noch zu be- 
schreibende Basen besitzen, Baumwolle im neutralen oder schwach alka- 
lischen Bade unmittelbar an (direktziehende oder substantive Farbstoffe). 
Farbstoffe, welche eine Oxygruppe und eine Carboxylgruppe, oder zwei 
Oxygruppen, endlich eine Oxygruppe und eine Aminogruppe alle in 
o-Stellung zueinander enthalten, eignen sich zu Beizenfarbstoffen. 
Die so erhaltenen Färbungen (Farblacke) haften auf der Faser mit 
großer Echtheit. Da als Beize meist Chromsalze verwandt werden, 
nennt man diese Farbstoffe Chromirfarbstoffe.. Sie sind in der 
Wollfärberei von großer Bedeutung. 
Zur Geschichte der Azofarbstoffe. Die Entwicklungsgeschichte der 
Azofarbstoffe läßt sich in drei Abschnitte einteilen, der erste, welcher 
mit der Erfindung der Azofarbstoffe selbst beginnt bis zur Auffindung 
der direktziehenden Baumwollfarbstoffe, der zweite von diesem Zeit- 
punkt bis zur Einführung der Chromierfarbstoffe, der dritte von da 
bis auf die heutige Zeit, in welcher die Erfindung nur noch in Be- 
sonderheiten gipfelt. 
Wie schon bemerkt, ist Peter Griess der Entdecker der Diazo- 
tierungsreaktion von Aminen!); der erste Azofarbstoff, das Aminoazo- 
benzol, ist von ihm 1859 beschrieben, jedoch kannte er seine Konstitu- 
tion nicht. 
Aminoazobenzol wurde unter dem Namen Anilingelb von Simpson 
Moule und Nicholson in Hackney-Wick in den Handel gebracht. 
Martius entdeckte 1865 das Phenylenbraun, entstanden durch 
Einwirkung von 'salpetriger Säure auf m-Phenylendiamin. Ihm folgte 
das Chrysoidin 1876 entdeckt von Witt?) und dann die ÖOranges 
(Poirrier), Tropäolins, Ponceaux, Bordeaux, Echtrots u. a. m. 
Seit 1877 fällt Deutschland der größte Anteil an den Fortschritten 
zu. Böttiger fand 1884 den ersten direktziehenden Baumwollfarb- 
stoff aus Benzidin und Naphthionsäure, den ‚„‚Kongofarbstoff“. Dieser 
neuen Darstellung folgte eine Schar ähnlicher Farbstoffe, welche eine 
Umwälzung auf dem’ Gebiete der Baumwollfärberei hervorriefen. 
Anfang der neunziger Jahre erschienen die Chromierfarbstoffe auf 
dem Markt. 
Die wissenschaftliche Bezeichnung der gewonnenen Ver- 
bindungen, welche im Handel nach Trivialnamen geht, ist äußerst 
  
1) Vgl. hierzu das Lebensbild O0. N. Witts von Nölting, B. 49, 1763ff. 
(1916), worin der Anteil Roussin’s an der Entdeckung der Azofarbstoffe be- 
sprochen ist. Auch Bernthsen, Lebensbild von Caro, B. 45, 2615 (1912). 
2) Noelting, a.a. 0. 
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
   
    
       
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
   
   
     
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