916 Heterocyclische Verbindungen.
Auffallend ist die geringe Farbstärke! der von Ellinger und Koschara
anfänglich erhaltenen Farbstoffe. Ein Lactoflavin d der genannten
Forscher scheint mit dem Lactoflavin von Kuhn und Mitarbeitern iden-
tisch zu sein.
Einen Schritt vorwärts brachte die Reinigung über Silber- und Thal-
liumverbindungen?, wodurch sich auch die Ausbeute steigerte (aus
5400 1 Molke fast 1 g Farbstoff). Völlig reines Lactoflavin krystallisiert
in sternförmig angeordneten Nadeln, hat den Schmelzpunkt 278°, die
Formel C,„H3,0,N.ı und ist offenbar mit Vitamin B, identisch. Es ist löslich
in Wasser; die neutrale Lösung zeigt intensive Fluorescenz, welche auf
Zusatz von Alkali oder Mineralsäure verschwindet. Die Absorptionsbanden
sind 445—372—269— 225 mu. Optische Aktivität zeigt es nur in alkalischer
Lösung, [&] in n/20 NaOH-Lösung = — 125°. Gegen Säure, Oxydations-
mittel und Brom sowie salpetrige Säure ist Lactoflavin beständig, heißes
Alkali zerstört es. Mit Reduktionsmitteln (Natriumhydrosulfit, Zinkstaub,
katalytisch erregtem Wasserstoff) entsteht Leuko-lactoflavin, das beim
Schütteln mit Luft Lactoflavin zurückbildet. Das Reduktionsoxydations-
potential ist bei pr = 7,0 E = 0,21 Volt?. Demnach ist der Farbstoff
ein sehr schwaches Oxydationsmittel, die Leukoverbindung ein starkes
Reduktionsmittel. Bei der Einwirkung von Zink, Zinn und Natrium-
amalgam in mineralsaurer Lösung tritt eine rote Zwischenstufe* auf, die
eine radikalartige Monohydroverbindung darstellt.
Zwei Eigenschaften eröffnen einen Einblick in die Konstitution: die
Empfindlichkeit gegen Licht und die Unbeständigkeit gegen Alkalien.
Es ergeben sich so im Molekül drei gut abtrennbare Molekülteile:
1. Ein solcher mit 2 Stickstoffatomen, der durch Alkalien zerstört
wird.
2. Ein sauerstoffreicher, hydroxylhaltiger Molekülteil, der bei der
Belichtung abgespalten wird.
3. Ein verhältnismäßiger beständiger Molekülteil mit 2 schwach
basischen Stickstoffatomen, beteiligt an den farbgebenden Doppel-
bindungen. Die drei Molekülteile erscheinen folgendermaßen verknüpft
2—3—1l
2 bewirkt Unlöslichkeit in Chloroform; Acetylierung der Hydroxyl-
gruppen wie Abspaltung von 2 (durch Photolyse) hat Übergang in chloro-
formlösliche Derivate zur Folge. Erhitzen mit Alkalien bewirkt Zerstörung
von 1 unter Harnstoffbildung, der übrig bleibende hellgelbe Farbstoff
ist in Chloroform unlöslich. Daraus ist zu schließen, daß 2 an 3 und nicht
an 1 haftet, so wie oben dargestellt. Lactoflavin nimmt 4 Acetylgruppen
auf, Lumi-lactoflavin, die Verbindung, welche durch Photolyse entsteht
! Kuhn, Wagner-Jauregg: Ber. dtsch. chem. Ges. 66, 1577 (1933); vgl.
auch Koschara: Ber. dtsch. chem. Ges. 67, 761 (1934), und zwar S. 763 und Anm. 2
dort. — ? Kuhn, Rudy, Wagner-Jauregg: Ber. dtsch. chem. Ges. 66, 1950
(1933). — ?® Kuhn, Wagner-Jauregg: Ber. dtsch. chem. Ges. 67, 361 (1934). —
Kuhn, Moruzzi: Ber. dtsch. chem. Ges. 67, 1220 (1934); vgl. auch Stern:
Nature (Lond.) 132, 784 (1933); 133, 178 (1934). — Bierich, Lang, Rosenbohm:
Naturwiss. 21, 496 (1933). — Bierich, Lang: Z. physiol. Chem. 223, 180 (1934);
vgl. Stern: Ber. dtsch. chem. Ges. 67, 654 (1934). — * Kuhn, Wagner-
Jauregg: Ber. dtsch. chem. Ges. 67, 361 (1934). — Kuhn, Moruzzi: Ber. dtsch.
chem. Ges. 67, 888 (1934). — Holiday, Stern: Ber. dtsch. chem. Ges. 67, 1352
(1934).
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