Full text: Nahrungs- und Genussmittel als Erzeugnisse der Industrie (Heft 3 = Gruppe 4)

   
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Nahrungs- und Genussmittel als Erzeugnisse der Industrie. 51 
zuerst in die Höhe und bilden über der unten gesammelten Kirschflüssig- 
keit eine ziemlich feste Decke; später sinken sie wieder zu Boden und 
die Flüssigkeit schwimmt jetzt darauf, ein sicheres Zeichen, dass die 
Gährung gänzlich vollendet sei. Uebrigens geht dieselbe sehr rasch vor 
sich. Wenn die Witterung warm ist, hört schon nach wenigen Tagen 
das stürmische Entweichen der Kohlensäure auf; allmählig entweicht gar 
kein Gas mehr und es kann jetzt die Oeffnung des Behälters fest ver- 
schlossen werden, wenn man nicht sofort zur Destillation schreiten will. 
In der Regel verspart man diese jedoch auf die Zeit, wo der Landmann 
wenig zu thun hat, in den Winter. Man erzielt dabei ausserdem, dass in- 
zwischen auch das Amygdalin des Kirschkerns in Gährung geräth und 
in Bittermandelöl und Blausäure zerfällt, welche entweder bei langem 
Liegen durch die Osmose und den in der Wulst des Steines befindlichen 
Kanal sich der Kirschflüssigkeit mittheilen, oder doch wenigstens bei 
der Destillation mit abgetrieben werden und dem Kirschwasser den cha- 
rakteristischen Geschmack geben. Um dies noch sicherer zu erzielen, 
werden an manchen Orten die Steine mit besondern Einrichtungen zer- 
quetscht; diess ist jedoch verwerflich, weil es hiebei leicht möglich wird, 
dass bei der Destillation auch die in den Samenlappen enthaltenen und 
in Folge der Gährung jedenfalls alterirten Fette theilweise mit über- 
gerissen werden. Am reinsten und angenehmsten wäre ein Kirschwasser, 
das sofort, oder dann aus reiner Kirschflüssigkeit abdestillirt wird und 
welches bloss den eigenthümlichen Geruch überreifer oder eingemachter 
Kirschen besitzt. Der gewöhnliche verdorbene Geschmack verlangt jedoch 
den vom Kirschkern herrührenden Blausäure- und Eier 
welcher durch den längern Aufenthalt im Fass oder das Zerstossen der 
Steine dem Kirschwasser beigebracht wird. Die Gährung erfordert, ob- 
schon sie nicht schwierig ist, doch einige Vorsicht, indem bei vorkom- 
mendem Versehen im Destillat ein unangenehmer, ja unter Umständen 
eckelhafter Beigeschmack entsteht. 
Die Destillation wird von den Bauern ganz allgemein in den be- 
kannten kupfernen Kesseln mit grossem Helm und einer oder, bei sehr 
grossen Kesseln, zwei Dampfableitungsröhren vorgenommen. Der Kessel 
darf, um das Uebersteigen des Breies zu verhüten, nicht ganz gefüllt 
werden. Es darf nur sehr langsam gefeuert werden, weil der Inhalt 
sonst leicht anbrennt, und weil erfahrungsgemäss das Destillat bei mög- 
lichst langsamem, gleichmässigem Abblasen den besten Wohlgeschmack 
erhält. Dieses Geschäft wird daher häufig nicht vom Bauer selbst, son- 
dern von einem sogenannten »Brenner« besorgt, der sich hieraus einen 
besondern Beruf macht. Ebenso einfach wie die Destillirblase ist die 
Kühlvorrichtung, gewöhnlich ein hölzerner oder steinerner Behälter, in 
welchem man wo möglich das Wasser eines Brunnens fortwährend ein- 
fliessen lassen kann und durch welchen eine oder mehrere Röhren von 
den Destillirblasen aus schief von oben nach unten durchgehen. Es ist 
 
	        
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