182 GR. XXVI. ERZIEHUNGS-, UNTERRICHTS- UND BILDUNGSANSTALTEN.
In der Geschichte und Geographie wird
die Kenntniss des Vaterlandes gelehrt theils
in zusammenhangender Uebersicht, theils
in ausfithrlicherer Darstellung der wich-
tigeren Begebenheiten und Ortschaften und
iitber die andern Kulturlinder im Auszug.
Historische Tafeln, Wandkarten, Globen und
Tellurien werden bei diesem Unterrichte
sehr allgemein angewendet, um demjenigen,
was gelehrt wird, eine griossere Anschau-
lichkeit zu geben und dadurch die Auffas-
sung zu erleichtern.
Die Naturiehre hat mit jedem Jahre
grossere Wichtigkeit bei dem Unterrichte
erhalten, und der Erfolg darin wird sehr
befordert durch die Anwendung des An-
schanungsmaterials, welches in der neuesten
Zeit fir die Schulen angeordnet worden
ist. Wandgemilde in der Naturgeschichte,
Sammlungen von Pflanzen und Mineralien
sind viel in Gebrauch und an manchen
Orten auch physikalische Apparate.
Geometrie ist ein Lehrgegenstand, der
noch nicht in grosserer Allgemeinheit vor-
kommt. Sie wird immer praktisch mitge-
theilt und umfasst gewéhnlich die Eigen-
schaften ebener und fester Figuren und die
Art sie auszumessen und zu berechnen. In
Verbindung mit dem Unterricht in diesem
Lehrgegenstande kommt Uebung im Linear-
zeichnen vor; aber der Unterricht im Zeich-
nen aus freier Hand hat bis jetzt erst an
wenigen Orten begonnen. &
In Gesang und Gymnastik wird sehr all-
gemein unterrichtet, besonders in ersterem,
welcher beinahe in allen Volksschulen und
in den meisten Kleinschulen geiibt wird.
Zu der sicheren Leitung des Gesanges sind
den Schulen Orgelharmonien fiir billigen
Preis zuginglich. In Verbindung mit der
Gymnastik werden auch militdrische Uebun-
gen, wie Miérsche, einfache Infanteriebewe-
gungen und Handgriffe, vorgenommen.
Der Unterricht im Gartenbau hat bis
jetzt noch keine bedeutenden Fortschritte
gemacht. Doch giebt es Pflanzungsland
bei 2,166 Volksschulen, und je mehr dies
fitr den Unterricht geordnet wird, muss sich
ohne Zweifel das Interesse fiir diesen wich-
tigen Gegenstand mehren.
Seit 1864 ist vorgeschrieben, dass ein
Abgangsexamen mit denjenigen Schiilern
angestellt werden soll, welche von der
Schule abgehen wollen. Diese Vorschrift
ist mit jedem Jahre allgemeiner beobachtet
worden, und im Jahre 1871 hatten von den
abgehenden Kindern 48,742 eine solche
Priifung bestanden.
Ein wichtiger Theil der Anordnungen
fiitr den Volksunterricht ist die Ertheilung
eines fortgesetzten Unterrichts an diejeni-
gen Kinder, welche aufgehort haben die
Schule tédglich zu besuchen. Wo ein solcher
Unterricht angeordnet ist, werden dazu in
den Stidten gewd6hnlich an einigen Wochen-
tagen zwei Abendstunden, auf dem Lande
aber wird dazu ein besonderer Wochentag
verwendet. Diese Anordnungen haben sich
gleichwohl langsam entwickelt: im Jahre
1871 haben nur 25,215 Kinder den fort-
gesetzten Unterricht benutzt.
In einigen Provinzen sind in den letzten
Jahren Schulen errichtet worden fiir éltere,
dem Bauernstande angehérende Jiinglinge,
die schon weit iiber das Schulalter hinaus
gind. Der Zweck mit diesen Schulen, welche
den Namen Volkshochschulen erhalten haben,
ist der, die in den Volksschulen erworbenen
Kenntnisse zu vermehren und solche all-
gemein-niitzlichen Kenntnisse nebst An-
wendung derselben mitzutheilen, welche bei
dem Eintritt in das praktische Leben von
ganz besonderer Wichtigkeit sind. Einige
dieser Schulen haben bereits mehre Jahre
mit Erfolg gearbeitet.
V. Die Lehrer. Um bei einer hihe-
ren Volksschule Anstellung zu erhalten,
ist erforderlich, an einer Universitit studirt
zu haben; ausserdem sind iiber die An-
stellung der Lehrer bei diesen Schulen be-
sondere Bestimmungen in den fiir dieselben
geltenden Reglementen gegeben und von
dem Konige sanctionirt. Im Allgemeinen
geht es dabei so zu, dass das Domecapitel
des Stiftes, in welchem die Schule belegen
ist, nachdem von denjenigen, die sich um
das Lehreramt beworben haben, Proben vor
dem Domcapitel abgelegt sind, die drei am
meisten Verdienten derselben vorschligt,
und der Schulrath dann unter diesen den
Lehrer zu wéihlen hat.
Was die eigentlichen Volksschulen be-
trifft, iiber welche durch eine kénigliche
Verfiigung vom Jahre 1859 vorgeschrieben
wird, dass dasjenige, was iiber die Lehrer
festgesetzt ist, auch auf die Lehrerinnen
Anwendung finden soll, so ist erforderlich,
um als ordentlicher Lehrer oder ordentliche
Lehrerin bei einer solchen Schule ange-