Achtes Kapitel, Die freie Reichsſtadt Eßlingen. 91
meiner fid) verbreitende Bildung, no< die Reformation vermochten dieſe
Schande der Menſchheit zu beſeitigen. Fragen wir na< der Urſache
hiervon, ſo erſehen wir, daß es die innige Verbindung tief eingewurzelter
Vorurtheile und abergläubiicher Meinungen mit geiftlihem Fanatismus
und einer barbariſchen Jurispruden, war, melde die Hexenprocefje jo
lange aufrecht erhielten !).” Pfaff macht hegreiflicher Weife als Proteftant
die Bulle Innocenz VIII. für die Entſtehung der Hexenproceſſe verant-
wortlih. Wenn er aber den Hexenhammer in ſpäteren Zeiten „die
Hauptrichtſhnur für alle Hexenrichter“ ſein läßt, ſo muß dieſes als irrig
bezeichnet werden. Jn den Proceßakten des 16. u. 17. Jahrhun-
derts berufen ſi< die Schöffenftühle und Richter und juriſtiſchen Fakul-
täten auf alle möglichen Auktoritäten, nur niht auf den Hexenhammer ;
wohl wird in wiſſenſ<haftli<hen Abhandlungen ſeitens der Theo-
logen und Juriſten über dieſen Gegenſtand nicht felten auf den Heren-
hammer hingewieſen. Die Eßlinger Proceſſe beginnen 1562. Graf Ulrich von
Helfenſtein, im Schloß zu Wieſenſteig, hatte 20 Weiber wegen Verdachts
der Hexerei einthürmen laſſen ?).
Der Oberpfarrer Thomas Naogeorgus fand die Angelegenheit für
ſo wichtig, daß er mehrere Sonntage nacheinander über die „Unholden“
und ihre verderbliche Wirkſamkeit predigte. Als vollends ein furdhtbares
Hagelwetiter die Gegend von Eßlingen und Stuttgart auf 18 Meilen im
Umkreis gänzlich verheerte, erklärten au feine Amt8genoſſen in
Vebereinſtimmung mit ihm, daſſelbe ſei ein Werk der Hexen und brachten
dadur< eine ſo große Aufregung hervor, daß ihnen der Rath am
18. Auguſt 1562 ernſtlich befahl, ſie ſollten der Sache gemäß und nict
ſo predigen, wie neuli< mit dem Hagelwetter geſchehen ſei, damit fie den
gemeinen Mann nicht alſo verbitterten. Jm Auguſt 1562 wurden zwei
Weiber, Barbara Schauer und Bertha Buhl eingezogen. Erſtere richtete
ihren Zorn in erſter Linie gegen den Oberpfarrer Naogeorgus , dieſen
„Böſewicht“, dem ſie nie Uebles, ſondern ſtets nur Gutes gethan habe,
und der nun wie ein Dieb über ſie lüge. Beide Perſonen aber
entfalteten eine außergewöhnliche Standhaftigkeit. So wurde am 25. Auguſt
die Schauer am Vormittage vier Mal gefoltert, obwohl fie in flehent-
lichten Worten um Schonung bat wegen ihres Alters, und da ſie ſhon
ſo gelähmt ſei, daß ſie weder eſſen no< trinken könne. Troß der ſchre>=
lichſten Folterqualen ließ ſie niht nad, ihre Unſhuld zu beiheuern;
allein am Nachmittage mußte ſie hören, man werde niht von ihr laſſen,
man
1) Zeitſchr. für d. Culturg. S. 253,
2) A. De Haen in feinem Buche: „Ueber die Magie“ 1775 erwähnt eine
bezauberte Margaretha Ulmer vor 1561.