Neuntes Kapitel. Die Landgrafichaft Homburg-Bingenheim. 97
der nicht Genannten mag noh größer ſein, als die hier namhaft Ge-
machten. Bei mehreren Fällen wurde wiederholt Gutachten begehrt von
der Juriſten - Fakultät zu Tübingen und Straßburg, wobei der Unter-
ſchied in den Anſchauungen dieſer Korporationen darin hervortrat , daß
die Tübinger milder, die Straßburger ſtrenger zu entſcheiden pflegten.
Neuntes Kapitel.
Die Landgrafſhaft Homburg-Wingenßeim.
Die Gründung dieſer Seitenlinie von Heſſen-Homburg erfolgte 1638
unter Landgraf Chriſtoph. Jhm fuccedirte 1650 ſein Sohn Wilhelm
Chriſtoph, wel<her in Bingenheim reſidirte. Es wurde dieſe Grafſchaft
gebildet aus circa zwölf Ortſchaften, worunter Echzell beſonders zu er-
wähnen iſt. Jm zweiten Fahr der Regierung diejes Prinzen begannen aud)
ſchon die Hexenproceſſe. Nach den vorliegenden Acten !) zeichnen ſih die-
ſelben dadur< beſonders aus: 1) daß die Proceſſe begonnen wurden auf
Anklagen zweier Schöffen ; 2) daß die proteſtantiſchen Pfarrer zur Ver-
handlung hingezogen wurden und die Aufgabe hatten, die Beklagten zum
Geſtändniſſe zu überreden; 3) daß in dieſen Acten der vielleiht einzige
Fall vorkommt, in welhem Juden als Zauberer denuncirt werden.
Am 15. Mai 1652 wird in Gegenwart des Fürſten, zweier
Zuriſten und des Pfarrers der Proceß eröffnet gegen Johann Wildeiſen's
Frau, genannt „Schmed-Anna”, die YO jährige Gänſehirtin ?), „Sit von
drei Mädchen und dem Saububen als Here angezeigt und habe fie ſelbſt
in der Zauberei unterrihtet. N. B. Die Kinder hatten gebadet; die
Gänſehirtin war dazu gekommen; der Sauhirte habe mit der Juliana Böſes
gethan. Die Gänſehirtin habe die Spuren dur<h Waſchen beſeitigt.“ Die
Alte läugnet entſchieden die Beſchuldigung der Kinder als Hexe; aber
in der Confrontation beharren die Kinder auf ihrer Ausſage »instanter.«
Nach dem Verhör bittet der Pfarrer die Delinquentin inſtändig, ſie möge
nur freiwillig bekennen. Dieſelben Kinder haben aber zweitens nod)
1) Diefelben finden fich auf dem Stadtarchive zu Frankfurt a. Main.
2) Horſt Dämonomagie II. 374 zieht denſelben Proceß an, ohne jedoch ſeine
Geneſis zu wiſſen, weil ihm die Acten fehlten. Nach ihm, der nur vom Hören-
ſagen wußte, war die Veranlaſſung eine viel unbedeutendere: das unbedachte
Wort des am Ufer ſpielenden Knaben. —Weitere Proceſſe bei Dr. Dtto Büchner,
„Gießens Vergangenheit.“ 1886. ©. 80 ff.
Diefenbach, Der Hexenwahn. 7