Erſtes Kapitel. Kur-Mainz. 113
Es möge hier no< ein Brief Play finden, welchen ein Ehemann an
ſeine als Hexe eingezogene Gattin zu Miltenberg ſhrieb. Dieſes Shrei«
ben wirft ein merkwürdiges Licht auf die Anſchauungen des Volkes bezüg-
fi des Hexenglaubens. Hier ſtreitet der Wahn mit der natürlichen
Liebe; Furt und Hoffnung führen einen ungleihen Kampf; denn die
erſtere iſ ſtärker als die lettere.
Jm Namen Gottes Amen.
Liebe Hausfrau Catharina!
Euer betrübter Zuſtand iſt mir hart zu Herzen gegangen. Ob nun
wohl i< mir Anfangs keine Gedanken hab machen können, daß Jhr eine
ſolche Perſon ſeiet, ſo weiß ih aber, daß ohne den Willen Gottes keinem
Menſchen ein Härlein auf ſeinem Kopf gekrümmt werden kann, und iſt
mir alsbald dieſer Troſt eingefallen, daß dies Unglü> aus lautterer
göttlicher ſhi>ung zu eurem Sehlen Heyl geſchehen ſey.
Dieweil ih denn auch von Jhrer geſtreng. Herrn obbriſten verſtan-
den, wehr auf Eu bekanndt , und was ihr mit denſelben menſchen , ſo
yf Euch geſtorben, für Werk begangen, glaub ih wohl, daß ihr eine
zauberiſhe und arme verführte Perſon ſeiet, und der Buß wohl bedürftig.
Und wenn ihr auh ſhon dur< Hülf des Leidigen Teufels die nah-
folgende erſchre>liche Pein, welches menjchliher Weiß möglich iſt, aus-
ſtehen werdet, ſo müßt ihr do) in ewiger Gefängniß \ißen bleiben, und
werdet nihts deſtoweniger von der Obrigkeit und allen Menſchen für
eine unbußfertige Sünderin und bekannte Zauberin gehalten werden.
Mich verwundert ſehr und ſhmerzt mid im Herz, daß ihr euh
durch Henker nakt ausziehen und wider die Natur ſ<heren und {händen
laſſet. Vielmehr aber verwundere ih mi, daß ihr des leidigen Teufels
in Ewigkeit ſein und pleiben wollet. O Gott erbarme fih der armen
Verführten Sehl. Gehet in euh, ſ{hemet euch vor eurem erjchaffer, vor
Gott dem Allmächtigen , ſchemet euch vor Gott unferm gerechten ſtrengen
Richter, der alles gejehen hat, was ihr vor feinen göttlichen Augen ge»
than habt. Schemet eu, daß ein ſolh unbußfertiges Leben von eu<
geführt wird, ſhemet eu< vor denen, wider die ihr geſündigt habt,
ſhemet eu< mit vor mir, dann euch ift von mir Alles verziehen, und
obwohl ich eu< in dieſer Welt niht mehr ſehen kann, no< ſehen will,
ſo verhoffe ih doh, wenn ihr dieſe Heimſu<hung Gottes erkennet, und
werdet euer Gewiſſen reinigen , daß wir wieder im Ewigen Leben mit
Freuden anſehen werden. -
ſtantiſchen zu Tübingen, Gießen, Helmſtädt u. a. zu ergehen pflegten, ſo. muß
den Mainzern Juriſten die Ehre bleiben, daß ſie unter die Erften gehören, welche
auf die Bahn der Humanität einzulenken wußten,“
Diefenbach, Der Hexenwahn. 8