152 Erſter Theil, Drittes Buh. Die Folter oder Tortur.
ein Anwalt zugegeben werden. Ehe man zur Tortur ſchreitet , müſſen
die Richter den ganzen Proceß einer Anzahl Rechtsgelehrten vorlegen.
„Wenn es aber den Richtern und dieſer Verſammlung ſcheinen ſollte :
man könne ſofort bei dringenden Jndicien zur Tortur vorſchreiten, ſollen
ſie niht auf das Verbrechen im Einzelnen befragt werden , ſondern vor-
her joll man ihnen nochmal die erhobenen Jndicien vorlegen, und auf
der Folter ſelbſt werden ſie nur auf die Wahrheit im Allgemeinen, in
Bezug auf das Vorgelegte, befragt. Fangen ſie an zu geſtehen, dann
darf im weiteren Verlauf ihnen nihts in den Mund gelegt werden;
ſondern nur die Worte ihres Zeugniſſes werden niedergeichrieben, und
die Wahrheit im Ganzen wird ihnen dann weiter abgefragt. Die Folter
darf niht von der zerreißenden Art ſeyn (Squaſſo), niht mit angebrach-
ten Gewichten oder Stöden an den Füßen peinigen, aud) nicht mit Striden
zuſammenſchnüren. Die Richter ſollen nicht leicht die Wiederholung der»
ſelben verfügen, außer in den allerſ<hwerſten Sachen, und nah eingezo-
gener Billigung der heil. Congregation. Die Frauen ſollen niht am
Leibe geſchoren, au< kein Gewicht auf angebliche Zeichen gelegt werden,
wenn ſie z. B. keine Thränen vergießen. Die Folter ſoll nie länger als
eine Stunde fortgeſeßt werden, und nur in den allerſhwerſten Fällen
und den dringendſten Fndicien an dieſe Dauer reichen, und die verhängte
auh in den Acten angegeben werden. Jm Falle Frauen au< die Apo-
ſtaſie, und ihre Anweſenheit beim Sabatth bekannt hätten , ſollen die
Richter Sorge tragen, daß die Geftändigen, ohne alle Einbläferei, ihnen
erzählen: wie fie im Anfange dazu gekommen; ſie ſollen über Zeit und
Umſtände fi) unterrichten, damit man daran erfennen könne, ob ihr
Bekenntniß wahrſcheinlih ſey. Jm Falle fie der Verification fähige That-
ſahen angeben, ſollen die Richter allen Fleiß anwenden , dieſe wirklich
zu verificiren; weil, würden ſie falſch befunden, auh das Bekenntniß
entfräftet wäre, als ein ſolches , das dur die Folter, ein trüglidhes
Mittel, oder dur< Suggeſtion von irgendwoher, oder dur< Ungeduld
über die Einkerkerung etwa eingegeben worden; wobei die Richter \ih
durhaus nicht befangen laſſen dürfen dur<h das, was ſie etwa bei den
Schriftſtellern über die Materie geleſen. Haben folche Weiber aber auh
authentiſh bekannt, und Mitſchuldige genannt, ſo ſoll gegen die Ge-
nannten, auf ihre Ausſage hin, niemals procedirt wer-
den; weil Alles durh Jlluſion geſchehen konnte, und die Gerechtigkeit
niht fordert, daß man gegen Mitſchuldige, geſehen in der Jlluſion,
vorſchreite !).
1) Görres, Myſtik 4. Bd. 2. Theil, S. 656, Albertus, Socialpolitik der
Kirche, S. 285.