Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

I. Die Erflärungsverfuche. 171 
Doch befinden ſih die Vertreter dieſer Gruppe in großem Jrrthume, 
wenn fie die Zahl derer, welche fich in dieſe fixen Jdeen verftridt hatten, 
für ſehr bedeutend ausgeben wollen. Sie war verhältnißmäßig im Ver- 
gleich zu der großen Zahl der unſchuldigen Opfer der Hexenbrände gering 
zu nennen. Anlaß zu der irrigen Annahme gibt die häufige Bemerkung 
der Protocolle: „Beklagte habe gütigli<h, oder freiwillig ſi< als ſhul- 
dig befannt,“ d. h. daß ſie eine Hexe ſei, mit dem Satan gebuhlt 
habe 2c. — Wenn man jedo< beherzigt, was in jener grauenvollen Zeit 
der Hexenproceſſe unter „freiwilligem oder gütlichem Bekenntniß“ ver- 
ſtanden wurde, dann wird man wenig Werth auf jolde Bemerkungen 
legen. Als „freiwillig“ wurde jenes Geſtändniß bezeichnet, welhes nah 
hartem Kerker, nah ſhwerer Bedrohung mit den Folterwerkzeugen und 
na< Anwendung des erſten Grades der Folter, ohne das „Aufziehen“, 
erzielt wurde. Ein ſolches Bekenntniß war das Werk des vollendeten 
Terrorismus und der brutalſten Einſhüchterung. Wer klug mar, befannte 
ſih lieber freiwillig {huldig, um den entſeglihen Folterqualen zu ent- 
gehen. Warum ſollte man dasſelbe Geſtändniß erſt abgeben wollen na< 
Erduldung aller Grade der Folter, warum nicht glei? Wer wollte dem 
do< unabwendbaren Feuertode noh erſt die Qualen der Tortur voraus- 
gehen laſſen ? Dem erſteren konnte doh Niemand entrinnen, dafür ſorgte 
die Folter, weil ſo lange gefoltert wurde, bis das Schuld -Geſtändniß 
eintrat. Der Folterung konnte man entrinnen duch „ein gütigliches 
oder freiwilliges Geſtändniß !).“ Jn ergreifenden Zügen hat der hinge- 
richtete Bürgermeiſter Johann Junius aus Bamberg über dieſe erzwungene 
freiwillige Schuldbekenntniſſe in dem Briefe an ſeine Tochter fi aus- 
gelaſſen ?). 
Die Zahl derer , die ſi< wirkli<h für Hexen aus8gaben und bekann- 
ten, kann niht ſo groß geweſen ſein; viele davon waren ficherli Irre, 
wie es ſolcher auch heute noch gibt. 
Hingegen muß man der Meinung rüdhaltlos beipfliten, daß die 
Anwendung und der Gebrau<h narlotifher Mittel zur Erregung der 
Sinnlichkeit gedient und der Vorſtellung von einer Vermiſhung mit dem 
Satan oder jener vom Fliegen dur die Luft Vorſchub geleiſtet hat 2). 
Heute no< wird dur< den Genuß von Opium, von gewiſſen Spirituoſen, dur 
Einſaugung von Lachgas eine ſinnereizende Wirkung, zumal bei weiblichen 
Perſonen, hervorgerufen. Jm Winter 1883 wurde in einer größeren 
  
  
1) Soldan-Heppe I. 380. Die ſogen. „Freiwilligkeit der Geſtändniſſe“. 
2) Siehe Dr. Fr. Leitſhuhs „Geſchichte des Hexenweſens in Franken.“ S. 48, 
Dieſer Brief befindet ſi< in den Hexenproceß-Acten auf der Stadtbibliothek zu 
Bamberg. Siehe Seite 134 d\. Buches. 
3) Nider in ſeinem Formicarius lib. V, gibt ein ſol<es Factum an. 
 
	        
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