Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

I. Die Erklärungsverſuche. 173 
Hexen proceſſe“, und gibt die allein befriedigende Antwort. Deßhalb 
machen wir dieſes Syſtem unter den verſchiedenen Erklärungsverſuchen 
zu den unſrigen. 
Do ſei zur näheren Motivirung no< auf drei Unterſchiede bezüg- 
li des Glaubens an Hexerei hingewieſen: 
1. Der hiſtoriſhe Glaube, 
2. Der objective Glaube, 
3, Der ſubjective Glaube an die Zauberkunſt. 
1. Unter hiſtoriſchem Glauben verſtehe ih die auf die Geſchichte gegrün- 
dete Ueberzeugung, daß es zu allen Zeiten Menſchen gegeben , welche für 
Magier gehalten wurden, oder ſi< als ſolche ausgaben. Dieſer Glaube 
ſieht gänzlih von der Frage ab, ob ſolhe Zauberer wirkli das voll 
brat haben, was man ihnen zuſchrieb. Dieſe Frage bleibt unberührt, 
ob fie mit Recht oder Unrecht fi) die Macht beigelegt; ob fie Düpirte 
waren oder blos Betrüger, welche Andere düpirten. Es iſ dieſer Glaube 
an Zauberei im Allgemeinen als etwas Abſtractes anzuſehen !). 
Dieſen hiſtoriſchen Glauben hält die katholiſche Kirche feſt in all 
ihren Verdicten über Zauberei und Magie; in den Bullen der Päpſte 
und Entſcheidungen der Concilien. 
2. Der objective Glaube, reſp. der Glaube an fremde Zauberei, als 
etwas Concretes. Unter dieſem Glauben verſtehe ih die Exiſtenz von 
beſtimmten Zauberern und Hexen. Derſelbe geht bis ins graueſte Alter- 
thum zurüd. Zeitlih und räumlich iſt er unbegrenzt. Man findet ihn 
ebenſo bei den Culturvölkern wie bei den Naturvölkern ; bei den Völkern 
des Alterthums , wie bei denen der neueren Zeit. Der Jnder, Perſer, 
Egypter , die Griehen und Römer huldigten demſelben Zauberglauben, 
wie die Scythen und Parther, die Gallier und Germanen. Die Ents 
de>er und Eroberer Amerikas, die Columbus, Cortez, Pizzaro, begegneten 
bei den Jndianern demſelben Zauberglauben, von dem das cultivirte 
Europa no< niht frei war. Es iſ nicht wenig überraſhend, wenn 
wir hören , wie die Neger der afrikaniſchen Binnenländer, zu denen ſeit 
einem Decennium die erſten Europäer vorgedrungen find, dieſelben Vor« 
ſtellungen von Wettermachen, Saatenverderben , zauberiſher Krankheit, 
Todesurſachen hegen, wie ſolcher Aberglaube bei den civiliſirten Völkern 
Europas im 16. und 17. Jahrhunderte im Schwange war. Die Belege 
in großer Anzahl finden ſi< bei Dr. Holub, Serpa Pinto, Livingſtone, 
Stanley, Dr. Pogge, Süß u. A. Stanley fragte einen Mgogohändler: 
„Glaubt ihr an Zauberei?“ Dieſer antwortete : „Das verſteht fi) von 
1) So vezurtheilt die Kirche oftmals häretifhe Säte als Jrrlehren, ohne 
zu erklären, daß dieſer oder jener ein Srrlehrer fei, 3. B. in dem bekannten Syllabus 
Pius IX, 
  
 
	        
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