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IL, Der Hexenproceß, der legitime Sohn der Jurisprudenz. 179
erzielen. Namentlich gilt dieſes bezüglich der »Complices«, die Frage nah
den Anderen, welche mit auf dem „Tanz“, welche mit ihnen bei den Hexen-
fahrten geweſen 2c. Nicht der Glaube an Zauberei und Hexen hat die
Hexenproceſſe hervorgerufen, ſondern das Geſeybuch des Reiches,
welches die Zauberei als ein Criminalverbredhen zu verfolgen gebot, und
die Geri<ht8praxis, welhe, an die Stelle der Accuſation und des
Zeugenbeweiſes , die Jnquiſition mit der Folter bis zum erzwungenen
Squldbekenntniſſe ſeßte. Daher der Say bei von Wähter erklärlih: „Vor
der Mitte des 15. Jahrhunderts ſind am wenigſten Hexen verbrannt wor-
den, obwohl der Hexenglaube beſtand . . . . Bis zur zweiten Hälfte des
XV. Jahrhunderts geſchehen ſolche Proceſſe nur auf Anklagen hin. Sel-
ten hatte Jemand Grund, eine Anklage wegen Hexerei zu erheben, am
wenigſten wegen Buhlſchaft mit dem Teufel; ohne Anklage gab es in
jener Zeit kein Criminalverfahren. So erklärt es ſih, daß man bis da-
hin ſelten Hexen vor Gericht zog, noh ſeltener ſie verbrannte. Jn dieſer
Zeit war auh leiht durchzukommen, ſelbſt bei Anklagen,
1. dur< das Gottesurtheil der Waſſerprobe,
2, dur< das Losſhwören und die Eides3helfer,
3. dur< Zweikampf.
Das änderte fi) aber mit dem Ende des XV. Jahrhunderts in der
Art, daß man Proceſſe gegen Verdächtige anſtrengte von Amtswegen,
ohne Anklage und nicht dur fremde Zeugen, fondern durch eigenes Einge-
ſtändniß ſie überführte, welch’ Tebteres Freilich durch die Folter erziwungen
wurde,“
So von Wächter. Wenn aber einmal irgendwo ein Proceß gegen
eine Hexe eingeleitet war, dann wurde dieſer Fall eine Quelle von neuen
Proceſſen, ähnlich jener Hydra des Herkules, welcher für jeden abge-
jehlagenen Kopf immer zwei neue anmucjen, oder jenem Dichter-Worte :
„Das eben iſ der Fluch der böfen That, daß fie fortzeugend Böjes muß
gebären.“ Auch Soldan trifft das Richtige, wenn er jchreibt: „Die
Acten der Herenproceffe conſtatiren die Thatſache, daß fi) die Herenprocefje
überall, wo fie einmal Plat gegriffen hatten, aus fich jelbit heraus fort«
jeßten und vermehrten.“ So war es möglih, daß dem Göhen des
Hexenwahns Hecatomben ouf Hecatomben von Menſchenopfern dargebracht
wurden. Daß dieſe Opfer niht den Theologen, ſondern den Juriſten
auf's Conto geſchrieben werden müſſen, geſteht derſelbe Soldan ein, wenn
er Sagt: „Gerichte und juriftiihe Facultäten ſ{leppten die Opfer auf die
Stheiterhaufen.“ Ferner ift das Ergebniß diefer Unterfuhung ausgeipro-
chen in jenem Saße, wel<hen 1849 von Raumer im preußiſchen Herrenhauſe
ausgeſprochen hat: „Nicht die Theologen, ſondern die Juriſten
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