Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

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Erſtes Kapitel. Der Zauberglaube im Heidenthum. 187 
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Ein keine8wegs freundlicheres Bild bieten uns die ſogenannten 
Culturvölker. Das heitere, begabte, für Poeſie und Kunſt gleich 
empfänglihe Volk der Griechen hatte leider ſeine religiöſen Vorſtellungen 
ganz in Aberglauben aufgehen laſſen. Seine Götter und Göttinnen waren 
im leßten Grunde ni<hts höheres als Zauberer und Zauberinnen, welche 
na< Gunſt oder Mißgunſt, Zuneigung oder Abneigung, Menſchen in 
Thiere, Pflanzen oder Steine verwandeln konnten und na< Belieben 
zurüdverwandelten. Ihre Helden, die der Götter Gunft erlangt hatten, 
erfreuten jihrähnlicher Gaben, wie Orpheus, Perſeus, Herkules, Theſeus, 
Achilles. Einen bedeutenden Einfluß auf die damalige Welt entfalteten 
die griehiſhen Orakel, 3. B. das ältere von Dodona und das befann- 
tere zu Delphi, mit melden nur dasjenige vom Jupiter Ammon in der 
lybiſhen Wüſte concurriren konnte. Ueber Urſprung, Natur und Weſen 
der Orakel ſind ſhon bei den Alten verſchiedene Anſichten laut geworden. 
Stoiker und Peripatetiker verlegten ihre Urſachen in eine bis zum furor 
und calor geſteigerte Geiſtesthätigfeit des Menſchen. Die Epikuräer 
leugneten ſie und hielten ſie für Gaukeleien. Plutar<h dagegen, der es 
für angezeigt hielt, ein eigenes Werk über dieſen Gegenſtand zu jchrei- 
ben, führte ſie mehr auf natürliche Urſachen zurüd, nämli auf die 
Einflüſſe des Klimas und des Temperamentes. Einige ſchrieben ſie der 
menſchlichen Verſhmißtheit zu. Chriſtlihen Erklärern ſchienen ſie ein 
Werk der Dämonen zu ſein, wie z. B. Georgius Möbius !), welcher den 
Say aufſtellt: „die heidniſhen Orakel haben Niemanden zum Urheber 
außer den Satan und ſind von ihm mit beſonderer Liſt und S{hlauheit 
eingeführt worden, weil jener Gottes Affe iſt.“ Auch die griechiſche 
Philoſophie hat wenig dazu beigetragen, die geiſtige Atmoſphäre von 
Aberglauben zu reinigen. Von den drei älteren bekannten Schulen huldigte 
die joniſhe mit Thales, die italiſhe mit Pythagoras denſelben Anſchau- 
ungen. Erſtere ſieht in der belebten Welt eine Menge von Dämonen, 
1) Tractatus philologico-theologicus de oraculorum ethnicorum origine, 
propagatione et duratione autore G@. Moebio. S. S. theolog. licent. Lipsiae. 
1680. Ex eröffnet ſeinen XTractat mit der Berufung auf den berühmten Päs 
dagogen Taubmann, welcher dem Satan die Rolle des Affen Gottes zujchreibt. 
Joh. Herbenstreit »Oraculum Apollinis delphicum.« Jena 1675. Der $. 1 
zeigt, daß der Satan der Urheber der Drakel ſei; er habe deren nirgends mehr 
gegründet als in Griechenland. Die im gleichen Jahre zu Cöln gedru>te Diſſer- 
tation: De divinatione et oraculis von einem Anonymus ift milder in ihren 
Urtheil. Menſchen könnten aus Conjecturen Manches voraugjehen, um mie viel 
mehr die Dämonen! ©. 2. 
 
	        
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