Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

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Erſtes Kapitel, Der Kampf d. Kirche geg. d. Manichäismus d. Katharer. 211 
minationen war eine manihäiſche Weltanſchauung gemeinſam, daß nämlih 
die ſichtbare Welt einem anderen Urheber zuzuſchreiben ſei, als die un- 
ſihtbare. Alles Körperliche ließen fie vom böſen Geiſte entſprungen 
ſein. Darum verwarfen ſie, ſhon wegen der Schöpfung8geſchihhte, das 
ganze Alte Teſtament, die Menſchwerdung des Sohnes Gottes, die Sacra- 
mente, die Mönhsorden, die Lehre vom Fegfeuer, der Hölle, Auferſtehung, 
Gebete für die Verſtorbenen und die ganze ſihtbare Kirche. Daher hatte 
jener bekehrte Katharer Ret, welcher dem Erzbiſchofe Arnold von Köln 
die Antwort gab: „Alles, was die Kirche lehrt und thut, halten jene für 
falſ< und grundlos). “ Nicht blos gegen die Dogmatik lehnten fie fi) 
auf, au< die Moral wurde negirt. So z. B. wurde die Che als un- 
heiliges Inftitut, die freie Liebe dagegen als erlaubt erklärt?). Mit 
dieſem Angriffe auf die chriſtliche Familie war die ſociale Ordnung in 
ihrem Fundamente erſchüttert ; lezteres umſomehr, als ſie ihre Jdeen und 
ihre Lehre nicht blos mit dem Munde, ſondern auh mit den Fäuſten 
zu verbreiten ſuchten. Gewaltſame Mittel ſcheuten ſie niht, um Anhänger 
ihrer Lehren zu gewinnen. Hunderte von katholiſchen Kirchen wurden mit 
allen Kunſtgegenſtänden zerſtört, treue Prieſter erſhlagen, Biſchöfe und 
Mönche vertrieben. 
Der damals regierende große Papſt Jnnocenz TIL, 1198—1217, 
wollte die Sectirer auf gutem Wege duch Belehrung und Predigt zurüd- 
führen), er mar derſelben Ueberzeugung wie die großen Kirchenlehrer, 
daß der Menſh zum Glauben nur ermahnt, aber niht gezwungen wer- 
den könne. Der heil. Bernhard und Erzbiſchof Heribert hatten ebenfalls 
das Verbrennen der Keber mißbilligt*).. So jhhidte denn JFnnocenz be- 
vollmächtigte Legaten, Cifſterzienſer und Mitglieder von dem vom heil. 
Dominikus geſtifteten Dominikanerorden nah dem ſüdlichen Frankreich. 
Der gewaltſame Widerſtand, auf welchen ſie ſtießen, die Ermordung des 
Legaten Peter von Caſtelnau, zwang ſowohl den Papſt wie den König von 
1) L. c. S. 200, „Die abendländiſche Ketzerei. hatte eine ſo feindliche Stellung 
gegen die römiſche Kirche angenommen, daß fie Alles bisher Erlebte zu überbieten 
ſchien. Schon der heil. Bernhard will den Unterſchied darin finden, daß die 
früheren Keyer von menſchlichem, dieſe von teufliſhem Urſprunge ſeien.“ Heppe- 
Soldan I. 167. 
2) Verſuche ähnlicher Art hat man ihn dieſem Jahrhundert in Nordamerika 
beobachten können. Die beiden Extremen find: die Mormonen mit ihrer Poly: 
gamie und die fog. Harmoniften in Deconomie, mit allgemeinem Cölibat. 
3) Der Bund der Keber, fagter in einer Predigt, muß buch treue Belehrung 
gelöſt werben; denn Gott will nicht den Tod des Sünders, ſondern daß er Ti 
bekehre und lebe. Hurter, P. Jnnocenz IIL, Bd, II. S, 229, 
4) Derſelbe II. 230, 
14 * 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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