Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
212 Zweiter Theil. Zweites Buch. Die Kirche und der häretifche Aberglauben x. 
Frankreih zu einer bewaffneten Intervention, melde mit der Unter- 
werfung der Hauptftüge dieſer Keyerei , des Grafen Raymund von 
Toulouſe, endigte !). 
Außer den Katharern und Albigenſern ſah das ſüdliche Frankreich 
noh eine andere Secte entſtehen, die Waldenſer. Fhr Mittelpunkt war 
Lyon, wo Petrus Waldus, ihr Stifter, lebte. Die Waldenſer berivarfen 
die ganze ſichtbare oder lehrende Kirche und verlangten für einen „Jeden 
das Recht, die heilige Schrift zu leſen, zu erklären und darüber zu pre- 
digen. Nach ihrer Vertreibung aus Lyon und der Umgegend zogen fie 
fi) in die einſamen Thäler Savoyens und des nordweſtlichen Piemonts 
zurü>. Dieſe Waldenſer hatten das Bibelwort wohl verſtanden, „wer 
zum Schwerte greift, der wird dur<h's Schwert umkommen,“ und bewahrten 
ſi deshalb vor dem Schi>ſale der Katharer. Dieſe waren nur äußer- 
li gebrochen und niedergeworfen ; denn die tèufliſhen Jdeen und Vors 
ftellungen von der Macht des Satans hatten weite Verbreitung gefunden, 
und die Bücher ſolcher angefüllt, welche die Katharer bekämpften oder 
über ſie berichteten. Zu dieſen Lehren, welche man den Katharern beilegte, 
gehört au< der Verkehr mit dem Satan, welcher in der Geſtalt eines 
Katers von ihnen verehrt werden ſollte. Der Geſchichtsſchreiber Alanus 
von Zſſel will ſogar ihren Namen davon ableiten, a catto; quia oscu- 
lantur posteriora catti, in cujus specie apareret iis lucifer?). 
Bald nad) der Beſiegung der Albigenſer findet man auh in Deutſchland, 
am Rhein, aber au< im Norden, derartige Vorſtellungen; namentlich tritt 
dieſes hervor bei den Stedingern, welche gegen das Jahr 1230 mit ihrem 
Erzbiſchofe Gerhard II. von Bremen in eine ernſte Fehde geriethen. 
Nachdem Iehterer eine fehwere Niederlage erlitten, erwwirkte er bei Gregor IX. 
1232 eine Bulle aus, nad) welcher ein Kreuzzug gegen die Stedinger 
gepredigt werden ſollte. Die Biſchöfe von Minden, Lübe> und Rayzeburg 
wurden angewieſen, denſelben zu unterſtüßen. Jm folgenden Fahre 
wiederholte der Papſt dieſe Aufforderung an die Biſchöfe von Paderborn 
und Münſter, Hildesheim, Osnabrü>, Verden und Mainz, und an den 
Konrad von Marburg. Entweder dieſer Jnquiſitor, oder Erzbiſchof Ger- 
hard II., jelbft hatte Gregor IX. die Stedinger in einer Weiſe geſchildert und 
dargeſtellt, daß man ſi< niht genug darüber verwundern kann. Die 
Bulle Gregors IX. gibt den Inhalt der deutſhen Berichte wieder ?). 
Hiena ſollten die Stedinger einen Zeufelsdienft eingerichtet Haben. Bei 
1) An dergleichen Vorgänge erinnert der Bauernkrieg 1525 und die im 
März 1886 in Belgien ausgebrochene ſocialiſtiſche Erhebung. 
2) Hurter Papſt Junocenz III, 2. Bd. 198. Heppe-Soldan I. 168. 
3) Niehus, Geſchichte des Hexenglaubens 2c. S, 18, Soldan-Heppe, IL, 162,
	        
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