Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
  
  
  
  
  
Sünftes Buch. 
Der Proteſtantismus und der Hexenwahn. 
Erſtes Kapitel. 
Die Lehre der Reformatoren. 
1. Luther und die übrigen Reformatoren haben den Hexen- 
wahn dur< das volle Gewicht ihres Anſehens und ihrer Ueberzeugungen 
gekräftigt 1), Dieſes Urtheil eines Proteſtanten iſ unantaſtbar. Schon 
das „theologiſhe Syſtem“ Luthers wih darin von der alten Kirche 
ab, daß er in der Lehre von der Erbſünde eine ſolche Verſhlehterung 
der menſchlichen Natur behauptete, daß der freie Wille aufgehoben wurde, 
und das fittlih Böſe im Menſchen als Natur - Nothwendigkeit erſchien. 
Während die katholiſche Lehre den gefallenen Menſchen nur als »vulne- 
ratus«, in ſeinen natürlichen Kräften geſ<hwächt, erklärt, läßt ihn Luthers 
Theorie ganz verberbt erjcheinen. Nach katholiſher Lehre iſt das ſittlich 
Böſe in dem Menſchen nihis Subſtantieles, nichts Materielles 2), ſondern 
nux ein Defect des Guten (defectus boni). Nach Luthers Auffaſſung 
bewirkt die Erbſünde die Jncarnation des Böſen. Die Sünde iſ etwas 
Subftantielles, von des Menjhen Natur Unzertrennlides, Der Satan, 
als das Princip des Böſen , hält ihn feſt in der Hand und beherrſcht 
ihn, wie ein Reiter ſein Pferd, und der Töpfer ſein Gefäß). Zum 
Beweife mögen nur einzelne Stellen aus Xuthers Schriften folgen. 
„Gott hat aber Niemand einen eigenen Willen gegeben, der eigene Wille 
kommt vom Teufel.“ „Es iſ dahin gekommen, daß Niemand ißt 
verſtehet, weder was Dienſtbarkeit iſ, weder Freiheit, ſogar hat einge- 
1) Karl Adolf Menzel, Geſch. der Deutſchen. Bd. VIII, S. 55, 
2) Natura mala, non malum, St. Augustin. Natura bonum, sed inest ei 
malum. Derſelbe. 
3) Die näheren Nachweiſe für dieſe Darſtellung aus Luthers Schriften ſiehe 
Mößlers Symbolik, Döllingers Geſchichte der Reformation, Janſſen, Geſchichte 
des deutſchen Volkes. Bd. 2. 
4) Luther's Auslg. des Vater unſer; Riffel, I, 17.
	        
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