Viertes Kapitel. Die Juriſten. 339
eine Zeit lang ein großes Heulen in einem gegenüber liegenden Berge
gehöret worden. Hieraus folget unumgänglih, daß dergleichen Dinge
durch der Geifter Kräffte verrichtet werden, die ſi< nicht ſehen noh
greifen laſſen. Aber ihre unnatürlide Wirkungen ziehen den Beweis
na< fi, daß etwas ſein müſſe, welches foldhe Wirkungen thue. So
wenig nun, als geleugnet werden kann, daß ein Haus oder Baum
vom Winde umgeworfen ſey, obgleih der Wind an fich ſelbſt niht
ſichtbar ift, au< no< kein Menſch ergründet hat, wo er her kommet,
und wohin er gehet, ſo wenig kann das Weſen und die Krafft der Gei-
ſter geleugnet werden, wann man den Effect und die Wirkung davon
fieht, oder glaubwürdig bezeugen höret.“
IV. Chriſtian Thomaſius. Thomaſius war 1655 zu Leipzig ge-
boren. Mit dem Studium der Jurisprudenz hatte er au< Collegien in
der Philoſophie verbunden und war ein begeiſterter Anhänger des Car-
teſius geworden. Jn Halle erwarb er fi eine Profeſſur und hatte
1694 die Aufgabe, in Unterſuhungsſache gegen Barbara Labareny aus
Eöslin, wegen Zauberei Beklagte, das Referat auszufertigen. Dieſes
lautete ſeinerſeits auf Verhängung der peinlihen Frag, Zu ſeiner
Ueberraſhung beſchloß das Collegium, das milde Verfahren der Entlaſſung
nad gejäworener Urpfede. Er fühlte ſi nunmehr veranlaßt, das Stu-
dium Carpzovs und Delrios zu vertauſchen mit den Werken der Gegner
der Hexenproceſſe, eines Weyer, von Spee, van Dale und B. Bekker.
Bald war er überzeugt, daß das ganze Proceßverfahren re<htswidrig ſey
und auf falſchen Borausfegungen (praejudiciis) beruhe. Zu den lehteren
zählte er den Pact und die Buhlſhaft mit dem Satan. Jn dem Ge-
richtöverfahren befämpfte er die Carolina mit ihren unbeſtimmten , dehn-
baren und verfänglichen ſogen. Jndicien. Dieſe Anſchauungen ſuchte er
mit allen Mitteln in die Oeffentlichkeit zu bringen. Schon 1701 ver-
anlaßte er, daß Johann Reiche in öffentliher Disputation ſeine An-
fihten vertheidigte, melde dann unter dem Titel „Kurze Lehrjäbe vom
Laſter der Zauberei“ dem Dru>e übergeben wurden. Er ma<ht mit Recht
einen Unterſchied zwiſchen Hexenglauben und Hexenproceß. Mit Carpzov,
dem Juriſten, und Spizelius, dem Senior Minifterii zu Augsburg
+ 1691, als Theologen, geht er ſharf ins Gericht, indem er die Grund-
loſigkeit ihrer Beweiſe ans Licht ſtelllt. Er macht es dieſem Prediger
zum größten Vorwurfe, daß er ſi< gerühmt habe: „ein fol heilſämes
Werk (Hexenverfolgung) nah äußerſtem Vermögen zu befördern, habe er
von vielen Jahren her fich Hoch verpflichtet erachtet." Den gleichen Bor«
wurf erhebt er auch gegen feine Amtsgenofien, $. 31 und 46, beſonders
gegen die orthodog-Iutheriichen, wobei er jelbft Melanchton niht verſchont.
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