Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
350 Zweiter Theil. Fünftes Buh. Der Proteſtantismus und der Hexenwahn. 
Jn einer zweiten Schrift ſut derſelbe Verfaſſer den Nachweis 
über die Exiſtenz der Geſpenſter zu führen. Wie wenig Einfluß das 
Bekkerſhe Werk unter ſeinen Zeitgenoſſen errang, beweiſt eine Diſſertation, 
melde 1698 zu Roftod vor der Juriſten - Fakultät gehalten und dann 
publicirt wurde. „Juriſtiſhe Unterſuhung über das gerichtlihe Bekennt- 
niß der Hexen, daß ſie aus der ſhändlihen Buhlſchaft mit dem Satan 
ein menfchliches Weſen erzeugt hätten.“ Ueber den Inhalt dieſes Trac- 
tats läßt fi) wenig jagen, weil er zu objeön iſt. Der Verfaſſer nannte 
ſi Nikolaus Putter, geiſtig verwandt mit I. 9. Pott, welder 1689 in 
Siena eine Schrift veröffentlicht hatte: „von der Hexen ſhändlihem Umgang 
mit dem böfen Feinde nebft Exempeln“. Die Zahl derjenigen, welche 
noh am alten Herenglauben in Norddeutſhland am Schluſſe des 
17. Jahrhunderts feſthielten, war Legion. Und dieſes war ſehr natür- 
ih. Die Orthodoxie, auf Seite der reformirten wie der lutheriſchen 
Kirche, ſah ſi< mit Bekkers Grundſägen in ihrer Grundlehre bedroht. 
Denn die Lehre vom re<htfertigenden Glauben hing zu ſehr mit dem 
Glauben an des Teufels Argliſt und Gewalt auf Erden zuſammen. 
Sie war darauf erbaut. Luther hatte den Satan zu unſeres Gottes 
Sto>meiſter, Profoß und Executor beſtellt, um durh Furcht vor ihm die 
Chriſten zur Gläubigkeit anzuhalten 1). Deshalb wurde jezt der Kampf 
gegen die Freigeiſter und Atheiſten auf die Kanzeln verlegt; es wurde 
faſt mehr über Satanas und ſein Geſhmeiß geprediget als über Chriſtus ?). 
„Der große Glaube an einen beinahe allmächtigen Teufel,” \hreibt ein 
unverdähtiger Autor , „herrſht noch) in den meiſten Köpfen der Chriſten. 
Geiſtliche ſind es, wel<he ihn gewöhnlih unterhalten und fördern. Ein 
gewiſſer frommer Troß, der niht Unreht haben und eines beſſern fi 
nicht belehren laſſen will, ſchadet der Aufklärung mehr als vormals Kerker, 
Folter, Scheiterhaufen 2c. ; unfer Gottesdienft, der ein vernünftiger ſein 
ſoll, bleibt leider noh immer dur Fabeln und Mähren entſtellt. 
Wie ſoll der Laie aufgeklärt werden, wenn ſein Lehrer und Seelſorger 
fi niht ſeinen Jrrihum nehmen laſſen will, und ſeine Vorurtheile zur 
Sate Gottes maht ? Jh rede niht bloß von großen Städten (wo vom 
großen Haufen daſſelbe gilt), ſondern vom platten Lande, wo es zum 
Theil noh ſehr finſter ausſieht. Großentheils erſhalkt hier der 
1) Gott iſt der Hirte; die Gläubigen ſind ſeine Schafe; der Satan iſt der 
Hirten- oder Schäferhund, welcher die Schafe hinter die ſ{hüßende Hürde der 
gola fides zu jcheuchen hat. „Denn Gott gab Satan die große Macht, auf daß 
die gottloſen und verſto>ten Menſchen ſi< fürchten und glauben und Gott an- 
rufen lernen.“ Luther nennt Satan einen Stodmeifter und Henker im großen 
Katechismus. 
2) Janſſen, ‘Geſchichte des deutſchen Volkes. IV, 12. 42, 44,
	        
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