48 Erſter Theil. Erſtes Buh. Die Hexenproceſſe in proteſtantiſchen Territorien.
Stoß vom Satan? Wie kann man das gegen Gott, die Chriſtenheit ,
hochgelehrte Theologen, ganze Academien und in dem Gewiſſen verant-
worten ? Soll ih denn bei unſerer katholiſhen Obrigkeit das veneran-
dum ministerium verklagen? Das iſt ja keine Manier. Vielleicht iſ es
bisher niht üblih geweſen, für ein ſol< Kind zu beten. Vielleicht hat
noch) fein Vater ultro dergleichen begehrt. Zudem als es keiner Obrig-
keit Gebrau< die Wahrheit vom Kind auszubringen, weil e3 beharrlich
feine teuflifche Verführung, Gottes Abſagung und hölliſche Tauf befennet.
Weiters iſ es ein Criminal-Werk; (wie ih dafür halte, aber andere da-
ran dubitiren) ſo habe ih ſolches der Obrigkeit übergeben und Euch ins
Angeſicht geſagt: Man ſollte dem Knaben lieber ſein Recht thun, dafür
die Seele zuvor kurirt ſei, ſo bin ih ſeiner künftigen Seligkeit deſto eher
verſichert. Die Seelencur ſollt man ſo gar unmanierli nicht verſäumen
und mich ärger als einen Heiden aus den Kirchen halten. Repeto.
Wäre Gott nit, der mir den Freund, Kinder und Schulgebet gelaſſen,
ſo wäre kein Wunder, wenn gleih das venerandum ministerium mih
gar zur Verzweiflung brähte. Denn dieſe Verſuhung ift größer quan-
tum ad me. Gott vergelte Allen denen ihr Unrecht, ſo ſie an mirs
thun. His valete et tandem in Christo favete.
Vester nescio qualis.
M. Antonius Rüdel, Rector.
Der etwas myſteriöſe Jnhalt dieſes Klagerufes wird no< vermehrt
dadurh, daß weder Ort noh Datum no< Adreſſe angegeben iſt. Da
Schreiber mit der Appellation an feine katholiſche Obrigkeit droht, ſo
ſcheint er dem katholiſhen Grafen Johann Dietrih unterthänig geweſen
zu ſein. Sein Kind war aber zur Zauberei verführt, und dem Knaben,
wie ihm ſelbſt das Kirchengebet verſagt, worüber der Vater aufs höchſte
empört iſt.
Uebrigens ſteht er betreff des Glaubens von Zauberei ſeitens der
kleinen Kinder ganz auf dem Niveau der Vollsanfhauung, weßhalb er
auh die obrigkeitlihe Sirafe gegenüber ſeinem unmündigen Kinde be-
gehrt zur „Rettung ſeiner Seele“.
Noch hat die Proceſſirung fehulpflichtiger Kinder ihr Ende nicht er-
reiht. Au aus den vierziger Jahren des ſiebenzehnten Jahrhunderts
begegnen uns gerichtliche Verhandlungen gegen ſolhe. So z. B. aus dem
Jahre 1644. |
Das Protocollbu<h enthält das Ergebniß eines Verhörs mit einem
ſiebenjährigen Knaben, welcher die deutjche!) Schule bejuchte.
1) D. h. wohl Volks\hule im Gegenjak zur Lateinſchule.