Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
  
72 Erſter Theil. Erſtes Buch. Die Hexenproceſſe in proteſtantiſchen Territorien. 
Gefragt, ob er no< mehr wiſſe, ſagt er: Nein, dieſes ſei Alles, das 
ſei wahr, dabei wolle er leben und ſterben und befehle ſih der Obrigkeit, 
die er um Gnade bitte. 
Eines weiteren Bekenntniſſes bedurfte es jezt niht mehr. Der alte 
Kettenwirth hatte genug Anklagen gegen fich gehäuft; er war des Todes 
ſhuldig. Aber zwei ganzer Jahre hatte es bedurft, um ihn unter der 
moraliſchen Folter der Furt dahin zu bringen, gegen ſein beſſeres Wiſſen 
und Gewiſſen der {hmählihſten Schandthaten fich \{huldig zu erklären. 
Er mußte vorerſt den moraliſchen Selbſtmord an ſih ſelbſt begehen, 
um dann zum Lohn dafür den phyſiſchen Tod gewaltſam zu erleiden. 
Sind jemals in der Welt die Civil- und chriſtlichen Gejege der Gerech- 
tigkeit ärger verleugnet und auf den Kopf geſtellt worden ? 
Indeſſen hatte es ſeinen Richtern viel Kopfzerbre<hen gemaht. Sie 
waren niht ohne Beſhwerung ihres Gewiſſens geblieben, wie aus weiteren 
Begebenheiten zu erſehen iſ. Ein nod) größeres Jntereſſe bieten die Aus- 
ſagen feines Chemweibes Anna, deren Schiefal mit dem ſeinigen ſo eng 
verknüpft war. 
IL 
Anna Hobin, die alte Kettenmwirthin, wegen Zauberei in Verhaft ges 
bradt. 1. October 1642, 
Nah den gewöhnlichen Antworten auf geſtellte Fragen nah Name, 
Alter, Geburtsort, ergibt ſi, daß Anna Hoy 57 Jahr alt und aus Hoch- 
hauſen gebürtigt war; 1601 hatte ſie ihren Mann geheirathet. Die Frage, 
ob ſie wiſſe, warum ſie verhaftet ſei, beanwortet fie: „ich weiß es nit“. 
Sr. Ob fie dann von keiner Zauberei wiſſe? A. Nein, ſo wahr Gotte3- 
ſohn vor fie geſtorben, ſo wahr ſei ſie keine Hexe. Addit: O Zhr lieben 
jungen Herren, wie könnt ihr mit dieſen ſ<hweren Händeln umgehen, 
welches ihr nit verantworten könnt! Man bringet ja die Leut um Leib 
und Leben. Ob man dann ſonſt keine andere Mittel habe, die Leute 
zur Wahrheit zu bringen als das grauſame Martern! 
Confrontation. Shumpin (deren Ausſage wir bereits ver- 
nommen) ſagt, die Kettenwirthin ſei bei dem Galgen und bei der Warth 
beim Tanz geweſen, darauf wolle ſie auch ſterben. : 
Kettenwirthin will nihts geſtehen; ſagt es geſchehe ihr Unrecht ; die- 
ſes ſolle ſie wohl bedenken. Bittet daneben um Gotteswillen, man ſoll 
ihr einen Tag Bedenkzeit und einen Pfarrer geben ; darna<h wolle ſie ſagen, 
was zu ſagen ift. 
Befragt, was ſie dem Pfarrer ſagen wolle, antwortet ſie: „ſie wolle 
fragen, ob fie auch mit gutem Gewiſſen ſagen könne, ſo fie gefragt werde, 
daß ſie das und ein anderes gethan habe, wen n glei es nit wahr ſei“.
	        
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