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Sechſtes Kapitel, Reaction des Volkes gegen die Juſtizmorde. 75
gefchehen; hätte auch nit gemeint, daß dies Zettelein noch bei ihrem Leben
gefunden würde; aber Gott habe es alſo haben wollen.
Da auh ihr die Frage, wie es fih mit dem Gelde in Frankfurt
verhalte, vorgelegt wurde, hat fie eine ähnliche Antwort, wie ihr Mann.
Ein dieſe Acten revidirender Graf (wohl Johann Dietrich) fügt hier
ſehr verſtändig die Rüge bei: „daß die Civilaction mit der Criminal
vermiſcht, iſt mißbräudlih, ja wider meine verſchieden ertheilten
Befehle; alſo wohl anders werden“.
Die Herren Richter waren in niht geringer Verlegenheit , was fie
mit den Acten anfangen ſollten. Herr Rath S<hlaun macht einen Be-
riht über das Ergebniß der Unterfuhung unterm 15. April 1643
»casus in causa Hans Hohen und feiner Hausfrau in puncto veneficii«.
Aus einem Bericht der beiden Unterfudungsrihter Dr. Bernhard
Shöpping und Dr. Joh. Schlaun ergibt fih, daß der Graf Johann
Dietrich die Frage geſtellt hatte, ob der alte Kettenwirih und ſeine Frau
juftificirt werden könnten, obwohl ſie niht torquirt worden ſeien. Jn
ihrem Antwortſchreiben bejahen die genannten Räthe dieſe Frage unter
Berufung auf Mascard vot: I. concl. 353 n. 34 »sufficit enim ad
condemnandum spontanea confessio absque tormentis« Item Prosp.
Farinac: de delictis qu. 21. No. 115, Damhoud: prax. crim.
lb. I. c. 35.
Wenn Jemand ferupulds fein wolle, dürfe man behaupten, daß er
au torquirt worden, weil nad) Mascard die Ausfagen beim Anbli> der
Tortur »quia confessio apud tormenta facta, dieitur facta in tor-
mentis«, als unter der Tortur geſchehen zu betrachten ſeien. Zu dieſem
Sabe macht der Graf die Gloſſe: „dieſe Opinion ift der Vernunft zu-
wider und mit Haaren herbeigezogen“.
Den Einwand, daß aber der Fnculpat keinen Schaden zugefügt habe,
beſeitigen fie mit Berufung auf die Bibel, wel<he ohne Unterſcheidung
ſage: »Non patieris vivere veneficum super terram.« „Kein Zau-
berer auf Erden darf am Leben bleiben“. Sie wollen die Frage alſo
jo formuliten, supposita specie facti, ob zur Verurtheilung dieſer Per-
ſonen von Rehtswegen noh etwas defiderirt werden fünne? Graf Dietrich
wollte dieſen Handel ganz auf das Gewiſſen ſeiner Räthe abſchieben ; die
Räthe aber fanden ihr Gewiſſen beunruhigt und beſchwert, ein Zeichen,
daß auch bei ihnen die Dämmerung eintrat, in welcher ſih Zweifel zeig=
ten an der Wahrheit der Ausſagen ihrer Gefangenen.
Schon unterm 31. März hatte ein Beiſizer ſeine Bedenken geäußert.
Jn einem Schreiben von dieſem Datum heißt es: Centgraf ſagt, daß unter
allen den Hexenleuten ihm dergleichen noh niht zu Handen gekommen,
welche ihn ſo perplex und na<hdenkli<h machen, als dieſe zwei Leute. Sie