was man daraus gemacht hat. Und dann: diese einzelnen Unternehmungen sind doch auch an
sich je für ihre Zeit bezeichnend, sind Äußerungen jedesmal eines besonderen künstlerischen
Willens und als solche bedeutsam und lehrreich. Ich will im Folgenden versuchen zu zeigen, wie
der Dom zu Mainz allmählich das geworden ist, was er heute darstellt, und weiter, was die eins
zelnen Zeiten künstlerisch mit ihm vorhatten.
odann will ich von den Denkmälern sprechen, die den Bau füllen und schmücken. Und wenn
S ich auch bei weitem nicht alle, nicht einmal alle wichtigeren hier abbilden kann — stellt doch
das, was der Dom heute noch an Plastik birgt, unbedingt die vielseitigste und wohl auch die um-
fangreichste Denkmälervereinigung dar, die irgendein deutscher Bau sein nennen kann —, wenn
ich also auch das alles hier nicht wiedergeben oder gar erschöpfend würdigen kann, eine Über-
sicht über das Ganze, einen Abriß der Mainzer Bildnerei, soweit sie sich in den Denkmälern des
Doms spiegelt, wird man hoffentlich in dieser Auseinandersetzung immerhin finden.
enn man vom Stephansturm oder von der Mathildenterrasse aus über die Stadt Mainz
hinsieht, da hebt sich aus dem Gewirre der Dächer noch immer mächtig und reich der viel-
gegliederte Dom mit seinen sechs Türmen (Abb. 1). Wieviel gewaltiger muß sein Anblick einst
gewesen sein, als er in der Hauptsache nur niedrige Fachwerkhäuser zu seinen Füßen hatte! Als
seine Massen schwer und zusammengehalten aus einem Gewimmel kleinteiliger, schmal:langer
Ziegeldächer emporstiegen! Das ist eine Überlegung, die man der Wirkung jedes alten Baues
gegenüber anstellen sollte: wie schwer ist diese Wirkung allein schon durch die völlige Umge-
staltung des städtischen Hausbaus, insbesondere durch die damit gegebene Veränderung des Maß»
stabs für die Betrachtung geschädigt worden! Was einst kolossal wirkte, ist heute nur eben noch
groß. Allein diese Größe ist — gemessen etwa an der Bedingtheit und Beschränktheit der technis
schen Mittel für die Ausführung — ein Wunder.
ber vergegenwärtigen wir uns zunächst die Lage des Baus in der Stadt. Wir finden ihn nicht
auf einer der Höhen im Westen, da, wo wir stehen, also auch nicht auf dem Boden oder
in der Nähe des einstigen römischen Lagers, sondern in der Niederung zwischen diesen Höhen
und dem Rhein, mitten in der Siedelung, die — vielleicht älter als die römische Befestigung des
Platzes der Mainmündung gegenüber — schließlich doch erst im Anschluß an die römische Kolonie
und durch sie zu ihrer frühmittelalterlichen Bedeutung emporgeblüht war. Hier also hatte der große
Erzbischof Willigis seinen Dom, die Hauptkirche St. Martin, von Grund auf neu — das heißt
nicht auf dem Platz oder über den Fundamenten eines älteren Domes — errichtet (nach 975).
Der Bau war nach einem Brandunglück im Jahre 1009, nach dem Tode Willigisens endlich 1036
fertig geworden und wurde im Beisein der kaiserlichen Familie und unter Assistenz von siebzehn
Bischöfen durch den Erzbischof Bardo feierlich geweiht. Ist von diesem Willigis-Bardo-Dom in
der heutigen Metropolitankirche noch etwas erhalten? Können wir erschließen, wie er ausgesehen
hat? Zunächst stellen wir von hier oben aus noch fest, daß schon das, was wir deutlich erkennen
können, nicht aus einem Gusse ist. Der Turm über den großartig reichgegliederten Westteilen
zeigt über dem romanischen Unterbau ein hohes gotisches Geschoß und noch weiter oben gar
barocke Formen. Und der andere, der schwere niedrigere Ostturm, ist so akademisch kalt und
sauber, dabei so unmöglich in seinen Verhältnissen (der furchtbare Helm!), daß man klar sieht:
das ist echtes neunzehntes Jahrhundert. Also: einheitlich ist dies Ganze nicht. Und doch: die
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