Full text: Der Mainzer Dom und seine Denkmäler (1. Band)

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Gewand zu einer flächenhaften, linear durchstilisierten, 
ausdrucksvollen überpersönlichen Einheit umgebildet), 
ein handwerklich dürftiges Stück. Tüchtiger ist der Grab- 
stein, der bisher den Namen eines Herrn vom Thurm 
führte, leider stark zerstört (zwischen 1315 und 1320) 
und tüchtiger ist auch das Grabdenkmal des Erzbischofs 
Matthias von Bucheck (+ 1328; Tafel 58 und 59). Aber 
was die Plastik des 14. Jahrhunderts eigentlich wollte, das 
kann man im Mainzer Dom überhaupt nicht verstehen 
lernen ; dazumuß man nach dem Kloster Eberbach wallfahr- 
ten und dort das Denkmal des Kantors Eberhard von Stein 
(71330) aufsuchen. Und ebenso läßt sich auch die Ent- 
wicklung der Plastik im weiteren 14. Jahrhundert aus den 
Denkmälern des Domesnichterkennen. Was davorhanden 
ist, hält den Vergleich mit auswärtigen Werken (in Ober- 
wesel, Lich, Frankfurt, Arnsburg, Eberbach usf.) nichtaus. 
Dagegen blüht nun ganz offenbar gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Mainzer Bildnerei so all- 
gemein auf, daß sich auch der Dom mit höchst bezeichnenden reizvollen Werken des neuen Stils 
schmücken kann. Und dabei haben wir sicher die Anregung, die fremde Künstler gebracht haben 
mögen — ich denke an die schöne Grabplatte des Erzbischofs Konrad von Weinsperg (Tafel 62f.) —, 
nicht allzuhoch einzuschätzen. Nein, in Mainz selbst erwuchs der neue Stil. Die Voraussetzungen 
für ihn waren ringsum und in der Stadt selbst gegeben. Ein freundliches Geschick schenkte jetzt 
der Stadt die Kräfte, die ihn lebendig zu machen wußten. Schon ein paar Vorläufer sind bedeut- 
sam, dann aber treten fast gleichzeitig drei oder vier deutlich voneinander zu scheidende Künstler- 
persönlichkeiten auf, die die volle Entfaltung des Stils bringen, des Stils, den wir den „weichen“ 
zu nennen pflegen. Da ist der Meister der Karmelitenmadonna, so genannt nach dem reizvollen 
Werk, das heute die Steinhalle des Museums beherbergt. Seine Arbeiten im Dom (Tafel 64ff.), 
nicht so unmittelbar wirksam wie jenes entzückende Hauptwerk, lassen doch die wesentlichen 
Züge seiner Kunst klar erkennen: die neue jugendlich-schwellende Lebendigkeit der Form; den 
Naturalismus, die Stofflichkeit aller Oberflächen; die langgezogenen weichen Kurven, die voller 
gerundeten Stege und Kehlen, das Saumgeriesel der Gewänder. Das eigentlich Plastische ist schwach 
bei ihm (man prüfe einmal den Martinus genauer!); aber reizvoll ist er in allem, was Reichtum 
der Erscheinung, sinnlich faßbares Leben der Oberflächen bedeutet, und in der jugendlichen, fast 
kindlichen Frische der Empfindung seiner Gestalten. 
amit ist der Weg beschritten, den nun die ganze Entwicklung geht. Ein klein wenig jünger 
D als der Meister der Karmelitenmadonna ist der Meister der Memorienpforte (Tafel 69 ff.). Die 
Quellen seiner Kunst sind die Art seines älteren Zeitgenossen und die Mainzer Tonplastik (Lorcher 
Kreuzschleppung, Beweinung in Limburg usf.). Die Plastik seiner Gestalten ist fester, vor allem 
organischer entwickelt; die Gewänder ordnet er einfacher, in größeren, klareren Motiven; die 
Stofflichkeit der Oberflächen ist dieselbe wie die der Gebilde seines älteren Zeitgenossen. Vor 
allem aber findet er den reinen und sprechenden Ausdruck der besonderen Empfindung dieser Zeit. 
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15. Kapitell vom Ostlettner 
 
	        
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