unseres Adalbert-Meisters wenigstens in einem entscheidenden Zug der Kunst des Nikolaus Gerhaert
verpflichtet. Schon Vöge hat den klaren und festen linearen Aufbau in den Schöpfungen des Meisters
hervorgehoben. Dieser klare und feste lineare Aufbau ist die hauptsächliche gestaltende Kraft im
Schaffen des Adalbert-Meisters. Das andere, jene unvergleichliche Lebendigkeit in der Durchbildung
der Oberflächen, die alle Werke des Nikolaus auszeichnet, die hat er freilich nicht mit übernommen.
Aber wie immer, das räume auch ich ein: die Kunst des Adalbert-Meisters muß noch weitere Quellen
haben. Nur bin ich nicht imstande, sie aufzuzeigen. Die Lösung dieses Problems ist abhängig von
der Entscheidung einer weiteren Frage: ist der Adalbert-Meister der Magister Valentinus Klingel-
schmitts oder ist er identisch mit dem Meister Johann von Dürn, der das Friedberger Sakraments-
häuschen schuf? Dieser Johann von Dürn hat ganz gewiß die Nebenfiguren am Denkmal des Adminis
strators Adalbert gearbeitet, die reizvolle kleine Muttergottes und den Martinus (Tafel 89 und 92).
Der Stil dieser Figürchen ist nicht derselbe wie der der großen Gestalten des Adalbert-Meisters: er
zeigt gerade das, was diesen nicht eigen ist, eine eingehende Behandlung, eine reiche Lebendigkeit
der Oberflächen. Sollte dieser Unterschied nur ein Unterschied des Maßstabes sein? Und vielleicht
noch ein Unterschied des Materials — die kleinen Figuren sind aus Eifeltuff, alle großen aus
grauem Sandstein gearbeitet —? Ich gestehe, daß mir diese Lösung bis auf weiteres noch nicht recht
einleuchten will, wenn ich auch nicht verkenne, daß sie die einfachste wäre. Atmen die kleinen
Figürchen nicht auch eine andere Herzlichkeit als die großen? Trennen wir aber die Meister, so
geraten wir in ein Dickicht weiterer Fragen: ist die Reliefmadonna des Kreuzganges (Tafel 95) vom
Adalbert-Meister oder von Johann von Dürn? Und wie steht es mit jenem Nikodemusfragment,
das Otto Schmitt sehr mit Recht in diesem Zusammenhang nennt? Hier ist nicht der Ort, diese
Fragen ihrer Lösung näherzuführen. Aber die Fragen selber sollten doch aufgeworfen werden:
ihre einstige Beantwortung wird das Bild eines der bedeutendsten Meister des späteren 15. Jahr-
hunderts in Deutschland endgültig klären. Über diesen selbst aber noch ein letztes Wort. Die
lineare Architektur seiner Werke ist ja ein Grundzug der Stilbildung der Zeit: die Bedeutung der
Kunst des Rogier van der Weyden für die deutsche Malerei wurzelt bekanntlich in demselben
Stilbedürfnis. Und auch, daß diese Betonung des linearen Aufbaues vor allem der Klärung und
Kündigung des geistigen Gehalts, also dem Ausdruck dient, ist ein Allgemeines. Aber soweit ich
sehe, ist der deutschen Kunst dieser Zeit kaum noch einmal gelungen, diese stilbildenden Elemente
so ins Monumentale zu steigern, wie es hier geschehen ist. Kunst des 15. Jahrhunderts und Monus
mentalität scheinen unvereinbare Gegensätze. Ist diese Monumentalität ein Vorklang der Renaissance?
Vielleicht! Gewiß aber ist dies: mit der Lebensfülle, der überströmenden Vitalität des 16. Jahr-
hunderts hat diese Monumentalität nichts zu tun. Sie ist — noch einmal — Abstraktion, Askese,
Verinnerlichung, Ausdruck. Sie ist, und darin einzig, eine letzte Monumentalität des Mittelalters.
Die Werkstatt des Adalbert-Meisters hat bis in den Beginn des 16. Jahrhunderts gearbeitet. Kur-
fürst Bertold ließ sie noch 1501 seinen Erweiterungsbau der Sakristei schmücken (Tafel 100). Dann
aber trat ein anderer Meister in den Vordergrund, dem bald alle größeren Aufträge zufielen: Hans
Backoffen von Sulzbach. Bevor wir indessen von ihm sprechen, werfen wir rasch noch einen Blick
auf die Werke der Holzplastik dieser Zeit. Nichts verrät deutlicher die furchtbaren Zerstörungen,
die der Dom durchgemacht hat, als die Tatsache, daß nicht nur keine einzige Bronzetafel aus alter
Zeit mehr im Dom vorhanden ist, sondern daß vermutlich auch keine der Holzfiguren des 15. oder
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