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Otto TIL, befangen in dem Wahn, es nahe mit dem ſi vollen-
denden Jahrtauſend auh das Ende der Welt, pilgert von Rom
nach Gnejen zum Grabe des heiligen Adalbert, einſt Erzbiſchof
von Prag, daun Kloſterbruder am Aventin, vor Kurzem Ver-
fündiger des Evangeliums im Lande der Preußen und von dieſen
erichlagen. Glänzend empfängt Herzog Boleslav Chrobry
den Oberherrn der Chriſtenheit, und der jugendliche Fürſt , ges
blendet von der Macht und dem Reichthum wie vom firhlihen
Sinne des Polen, erhebt Gnefen zum Sit eined Erzbiſchofs, ver-
leiht dem Herzog mit fkrankhaftem Anachronismus den Titel „des
Römiſchen Volkes Freund und Bundesgenoſfſe“, jegt ihn ein zum
„Bruder und Mitarbeiter des Reiches“ und überträgt ihm für
Polen wie für alle bisherigen und künftigen Eroberungen die
firhlihen Rechte, welche Deutſchlands Oberhaupt bis dahin geübt.
Seit jenem Tage gingen die Oſtlande der deutſchen Kultur
unwiederbringli< verloren.
Bald nah dem Beſuch des Kaiſers gründet Boleslav in der
„ſalzigen“ Golberg ein Bisthum und ftellt an deſſen Spite den
gelehrten Reinbern aus dem Haffengau, der nicht nur die Gößen-
tempel verbrennt, ſondern auh das Meer durch Weihwaſſer und
Verſenkung von vier mit heiligem Oel geſalbten Steinen von den
„Teufeln“ reinigt. Indeß nah wenig Jahren ſtirbt der Biſchof
als Gefangener in Kiew, wohin er des Herzogs Tochter zu ihrem
Verlobten, dem jungen Großfürſten Rußlands, geleitet hatte; un-
unterbrochene Kämpfe nehmen Boleslav bis zu ſeinem Tode 1025
in Anſyruch, und das Colberger Bisthum zerfällt, kaum eine
Spur hinterlafjend.
Beinahe das gauze elfte Jahrhundert hindurch bleibt das
Wendiſche Heidenthum unangetaſtet. Die Blide der Saliſchen
Kaiſer richten fich nach andern Seiten; Heinrich IV. führt gegen
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