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zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts angenommen. Erſt aus
dieſer Zeit hôrt man au< von Aufführungen ſolcher Spiele in
London ſelbſt. Ju einer von der Kirche St. Paul an König
Kichard IT. gerichteten Petition wird Klage geführt über die von
gänzlich unwiffenden Perjonen unternommenen Aufführungen aus
dem „alten Teſtament“, indem ſolche Aufführungen zum Nach-
theil derjenigen Darſtellungen ftattfänden, die von der Geiſt-
lichkeit eben jener Kirche mit großen Koſten unternommen
worden ſeien. Aus dem Jahre 1391 hört man von einer durch
die Geiſtlichkeit veranſtalteten Aufführung — vermuthlih einer
der uns erhaltenen Collectiv- Myſterien —, welche in der Nähe
von Smithfield in Gegenwart des Hofes ſtattfand und drei Tage
dauerte.
Die meiſten der dramatiſirten bibliſchen Stoffe wiederholen
fi) in den genannten drei Sammlungen. Sie beginnen mit der
Schöyfungs-Geichichte, der fi dann die Geſchichte von der
Ermordung Abels, die Sündfluth, die Dpferung Jſaak's u. |. w.
anſchließen. Einige Analyſen dieſer Spiele mögen hier eine Vor-
ſtellung von der dramatiſchen Form derſelben geben.
In den Cheſterſpielen geht der Schöpfungs-Geſchichte noh
ein Spiel: „Der Fall des Lucifer“ voraus. Daſſelbe wird
erôóffnet durch Gott, der ſih ſelbſt in längerer Rede den Zuhörern
vorſtellt, ſeine Größe und Herrlichkeit, ſowie die Unbegrenztheit
ſeiner Macht beſchreibend, wobei in die kurzen, abwechſelnd drei-
und vierfüßigen jambiſchen Verſe häufige lateiniſche Broken ein-
geſtreut ſind. Dann folgt ein Geſpräch Gottes mit Lucifer und
andern Engeln, daun Lucifer’3 Verfchwörung wider den Herrn,
welche — da der Herr zurüdfehrt — mit dem Sturze des Lucifer
durch eine kurze Rede Gottes beendet wird. Hiernah werden die
gefallenen Engel (als „erſter“ und „zweiter Dämon“) in einem
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