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Das gräfliche Tagebuch ift auch im diefen Dingen ſehr
genau und aufrichtig. Es verzeichnet gewiſſenhaft die verſchie-
denen Einladungen, die an die Walde>er Herren meiſt ing:
geſamt ergingen, und die Gäſte, die ſie in ihrer eigenen Her-
berge ſahen und bewirtheten. Auch verſchweigt es nicht, wenn
je einmal ein Becher zu viel geleert wurde, doh iſ dieſes
ſelten genug vorgekommen. Es fehlte unſerem Grafen denn
doch zu ſehr jene behagliche Lebensluſt, die e3 fich auch in den
ungemüthlichften Situationen noch immer gemüthlich zu machen
weiß, — ein Zug unſeres Volkscharakters, der ſeine liebens-
würdigen, aber auch ſeine bedenklihen Seiten hat. Selbſt der
gefangene Zohann Friedrich, der doch noch ganz andere Urfache
hatte, über Schaden und Schande zu klagen, als unſer Graf,
lies es ich nicht ſo hart anfechten. Er führte in feinem Ge
wahrjam ein ganz vorzügliches Leben und vertrieb fich feinen
Kummer und ſeine Sorgen gerade jo, wie ſeine Sieger und
Peiniger fich die ihrigen zu vertreiben pflegten. Da es doch
zu weit war, um ſein gutes, ſ{hweres Torgauer Bier nad
Augsburg kommen zu laſſen, that er fich nach einem Erjag um
und fand ihn in dem Schwabacher, wovon ihm ab und zu eine
Wagenladung zugeführt wurde. Auch gab es bei ihm faſt Tag
für Tag gemüthliche Geſelligkeit bei der Mittags- und Abend-
tafel, deutſhe und weliche Gaukler, Sänger und Tänzer pro:
duzirten ihre Tänze, und der vielgeprüfte Märtyrer der Glau-
bensfreiheit ergößte fich weidlich an ihnen. Sogar Würfelfpiel
gehörte zu den gewöhnlichen Vergnügungen dieſes Kreiſes. Soll
doh der Herzog von Alba einmal den ganzen Sold, den der
Kaiſer den deutſchen Landsknechten ſhuldete und ihm übergeben
hatte, dort verſpielt haben, worüber eine höchſt gefährliche Meu-
terei ausbrach, die einigen Spaniern das Leben koſtete. Würfel-
ſpiel galt aber in den Augen des Grafen Wolrad für einen
argen Greuel, während es der doh ebenſo fromme Kurfürſt zu
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